Auf dem Weg nach Stockholm steuern wir zuerst Grinda an, welches sich als das Herz des Stockholmer Schärengartens bezeichnet und mit dem Grinda Wärdshuset auch ein – noch geöffnetes – kulinarisches Erlebnis verspricht. Zuerst aber haben wir wieder einmal eine 18 Meter hohe Brücke untersegelt und erreichen mit leichtem Wind das Privileg eines längsseitigen Anlegens im Gästehafen von Grinda. Wir feiern am 16. August unsere nun drei Monate auf der Matariki gebührend.




Am Mittwoch heisst das Tagesziel Waxholm, welches wir mit etwas Ostwind nach kurzer Fahrt erreichen. Die Sommerhäuser entlang der Route werden immer grösser und auch schicker. Vorbei am Kastell fahren wir in den ziemlich vereinsamten Gästehafen, der aber immer noch mit hilfreichem Personal besetzt ist, welches vor allem mit den häufigen Ansuchen um Schiffsunterbodenwäsche von Motorbooten im entsprechenden Gerät beschäftigt ist. Touristen strömen aber immer noch in Scharen zu den Fähren, welche schöne Fahrten in die Schärenwelt versprechen. Die beiden Linienfähren von und nach Rindö und dann mit noch einer Fähre weiter nach der grossen Insel Värmdö sind bis in den Abend hinein immer voll besetzt mit Autos. Das Städtchen ist dafür einigermassen unverstopft und wir können Proviant ergänzen und auch die gute Bäckerei in der Hamngatan ist in fussläufiger Distanz für den Dessert und dann auch die Morgenbrötchen zu erreichen. Abends wird die Wäsche gewaschen – die Tvättstuga ist hier nicht umkämpft und der nach 12 Tagen auf 120 Liter gesunkene Wassertank wird wieder aufgefüllt.



Donnerstags segeln wir bis ins Zentrum von Stockholm, wo wir drei Tage lang im zentralen Wasahamnen bleiben werden. Unser schon lange per Dockspot gebuchter Platz #6 erweist sich als gute Wahl: Er liegt direkt am Quai, Wasser und Strom sind in der Nähe, die Infrastruktur ausgezeichnet, der Hafenmeister nett, der Brötchenwagen am Morgen sehr nützlich, ein Glacestand in der Nähe und die Stadt mit öffentlichem Nahverkehr gut erreichbar – der zu entrichtende Obulus von 400 SEK (plus 50 SEK für Strom) ist gerechtfertigt. Natürlich ist es hier keine Rede mehr von Schärengarten- oder Naturhafen-Ruhe. Menschenströme wandern entlang dem Quai zu den zahlreichen Museen (Wasamuseum, Spritmuseum, Wikingermuseum, Wrackmuseum und und und). Abends wird der rege Fussverkehr durch freudiges Gekreische ersetzt – der Vergnügungspark Gröna Lund liegt in Hördistanz.




Wir nutzen die Fähre nach Slussen, um uns Gamla Stan mit seinen alten Häusern, den vielen Boutiquen und Gallerien anzuschauen, erwischen per Zufall auch die 18-Uhr Wachablösung vor dem königlichen Stadtschloss und bummeln die Allerwelts-Einkaufsstrasse Drottninggatan in Norrmalm hinauf. Das ist uns schon bald zuviel Trubel und wir sind froh, dass wir unser Nachtessen auf dem ruhigeren Kungsholmen ansteuern. Zuerst gibt es noch einen Apéro im El Cielo und dann sitzen wir bald draussen im Restaurant Agnes. Nomen est omen: Es liegt an der Norra Agnegatan und bietet wunderbare kleine Plättchen an und verfügt auch über eine beeindruckende Champagner- und Weinkarte. Danach sind wir doch etwas ermattet und leisten uns einen Uber (mit Georgios) zurück zum Wasahamnen.


Das besagte Restaurant

Am Freitag unternimmt der Skipper einen Versuch, die seit Mitte Mai neu an Bord befindliche 0,7 Liter Tauchflasche zu befüllen. Sie ist ja nur für den Notfall gedacht, siehe dazu aber auch den Cachana-Blog vom 8.8.22 🙈. Die Fahrt mit dem eScooter entlang einiger Sehenswürdigkeiten zum Ecodive nach Kristineberg hat sich gelohnt: Füllung erfolgt und erst noch ein paar Tipps vom Tauchmeister dazu. Nach dem Mittag trifft dann auch Andrea bei uns ein – sie ist am Vortag bereits in Stockholm gelandet und wird uns für eine Woche auf der Matariki begleiten. Wir nehmen das sehr eindrückliche Wasamuseum in Angriff, wo wir das riesige Schiff und all die interessanten Exponate ausführlich bewundern. Danach geniessen wir das Hafenleben, es ist sehr heiss und das Glace fliesst fast schneller, als es weggeschleckt werden kann.


Am Samstag zügelt Andrea dann endgültig auf die Matariki, auch sie hat sich auf Handgepäck beschränkt, um den momentan häufigen Beförderungsproblemen beim Fluggepäck aus dem Weg zu gehen. Nach einer Shoppingtour der weiblichen Besatzungsmitglieder und einem gemeinsamen Einkaufsbummel im ICA und im Systembolaget geniessen wir das Abendessen auf Empfehlung der SY Rian-Crew im nahe gelegenen Restaurant Ulla Windbladh. Die Atmosphäre ist stimmig, das Essen ausgezeichnet und der Hauswein so bekömmlich, dass wir auch noch die drei Ulla-Schnäppse probieren müssen.





Am Sonntag entfliehen wir dem Grossstadttrubel und motoren nach kurzem Segelversuch die noch stark bebauten Sunde und engen Durchfahrten vorbei an Skogsö, Saltsjöbaden, Gåsö und Ägnö vorbei. Statt im beliebten Napoleonviken legen wir auf Härsö mit Heckanker am Holzsteg des Nacka Båtklubben an. Auch diese Empfehlung der SY Rian-Crew ist perfekt – wir geniessen mit zwei anderen Segelbooten die Stille und die wie immer eindrückliche Schärennatur. Zum Znacht gibt es ein feines indisches Gericht aus der exquisiten Bordküche. Das Hochheben des Heckankers entpuppt sich hier als ziemliche Schweinerei – der Grund hält zwar gut, aber der lehmige Boden hinterlässt seine gewichtigen und klebrigen Spuren am Anker und in der Folge auch an einigen ungewollten Stellen an Bord. Mit vereinten Kräften und einigem Seewasser bewältigen wir auch das.

Old style




Der Montag wird zu einer wahren Kreuztour: 53 Wenden bei anfänglich sehr schwachen und am Nachmittag schliesslich auf 10 Knoten zunehmenden Winden meistern wir, bevor wir – zum zweiten Mal auf dieser Reise – in Utö anlegen. Der Unterschied zum letzten Mal ist allerdings gewaltig: Der begehrte Nordhafen ist bis auf einige Segelschiffe leer, der lange Steg des Südhafens ist nun völlig verwaist. Leider ist auch die feine Bäckerei nur noch an den Wochenenden offen, aber die Infrastruktur samt Sauna ist noch vollständig verfügbar (auch die Hafengebühren sind noch dieselben). Der morgendliche Vogel-Beschiss ist auf die wenigen Boote konzentriert und teilweise blau gefärbt – es scheint auch in der Vogelnahrung Blaubeeren zu haben 💩.


Ich bin dankbar, diesen abwechslungsreichen Abschnitt als transatlantischer Zaungast mitzugeniessen. Allerdings sind die kulinarischen Beilagen – nicht nur des Agnes Restaurants – etwas, das einem die Zähne lang macht.
Was mir besonders gefiel: Der direkt mythische Grinda Brückenkopf, der Origami-anmutende Giraffenhafenkran und die restaurierte Wasa. Ich hoffe, davon zu träumen!
Auch die Matariki Kastell Ansicht weckt Fernweh (obwohl sich’s im eigenen Bett ganz wohlig schläft).