Unser erster Törn 2023
Nachdem der Regen am Mittwochmorgen um 9 Uhr der Sonne weicht, starten wir Richtung Süden. Der Wetterbericht meldet Sturm für den Skagerrak und so wählen wir die Route innendurch Richtung Stenungsund. Tatsächlich haben wir sehr launische Winde, vor allem Böen mit kurzen Attacken von über 20 Knoten. Zudem ist es erstmals hier oben a…kalt (um die10 Grad). Das Schiff macht gute Fahrt und liegt auch ordentlich schräg, am Schluss legen wir das 2. Reff ein und fahren immer noch mit über 7 Knoten. Wir machen diesen Abschnitt zusammen mit der Poema, Felix nimmt sogar noch die Genua hervor und macht noch mehr Fahrt.
Wir beschliessen, nicht mehr weiter nach Marstrand zu fahren, da es dort meist sehr schaukelt, wenn soviel Wind weht. Dafür gibt es dann etwas Wärme im Hafen (19 Grad), viel Sonnenschein, das erste Glace und dann noch ein Nachtessen im Ristorante Alborello.
Sanfterer Einstieg
Nach dem gestrigen böigen Tag zeigt sich heute Donnerstag die Westküste von ihrer sanfteren Seite. Wir lassen die Poema in Stenungsund zurück.
Zuerst ein bisschen Wind auf die Nase, dann netter Halbwind, alles bei eitel Sonnenschein. Es ist auch temperaturmässig schön warm, aber der Windchill ist heftig kühlend – wir sind mehrlagig und winddicht unterwegs. Aber es ist Auffahrt, d.h. alle Boaties sind „auf Fahrt“. Die See-Autobahn von Göteborg nach Smögen ist auf alle Fälle voll, man könnte meinen, es sei eine Bierregatta. Wir sind in der Gegenrichtung unterwegs, alles halb so wild. Wir passieren unsere zwei Brücken (Tjörnbron und Marstrandsbron) und meistern auch die fleissigen Fähren von Öckerö elegant.
Nach rund sieben Stunden sind wir 35 nm (62 km) weiter und machen wieder einmal in Donsö fest. Sonst ist hier eher ruhig, heute aber finden wir nur Dank einem netten Schweden, der sein Motorboot etwas verlegt, einen passenden Platz. Kurz darauf kriegen wir noch Nachbarn ins Päckchen – ein brandneuer 48-Fuss-Charter-Katamaran, der von Kalmar nach Skärhamn überführt wird, legt sich an unsere Seite.
Dies(el)iger Tag
Unsere Katamaran-Nachbarn verlassen uns um fünf Uhr, nur kurz hört man etwas Gerumpel. Wir fahren um 10 Uhr los, aber der Wind will nicht so recht. Auch die Sonne zeigt sich nur hinter einer Schleierdecke und mancherorts hat es sogar etwas Seenebel. Wir schalten sogar testweise den Radar ein – funktioniert bestens, aber der Nebel verzieht sich dann doch, es bleibt diesig und wir dieseln weiter.
Wir sichten nur wenige Schiffe, aber eine englische Sirius 35DS (Selkie, derselbe Bootstyp wie wir) kommt uns in Fernglasdistanz entgegen und ein Schweizer Boot fährt winkend an uns vorbei gegen Norden. Die Sirius wird abends dort festmachen, wo wir wegfuhren – wir haben uns um 24 Stunden verpasst!
Den Hafen in Bua lassen wir aus, das nahe Atomkraftwerk verlockt einem nicht gerade zum Verweilen und wir halten noch durch, bis wir nach rund sieben Stunden gegen 17 Uhr in Varberg anlegen. Zweimal, um genau zu sein. Als wir schon beim Anlegetrunk sind, kommt ein freundlicher Schwede zu uns und meint, der Platz könnte am Abend von Arbeitsschiffen belegt werden, welche in der Nähe am Baggern sind – es sei jedenfalls gestern so gewesen. Also gut, keine späteren Manöver mehr – wir verlegen Matariki im zur Zeit noch recht leeren Hafen an ein sicheres Plätzchen. Und in der Tat: Kurz nach 18 Uhr kommen zwei Arbeitsschiffe und legen dort an, wo wir zuerst waren. Ein Reservationsschild wäre hier wirklich hilfreich gewesen – der Hafenmeister ist in der Vorsaison nur von 9-16 Uhr anwesend.
Wir geniessen einen feinen Salat an Bord und beschliessen, am Samstag hier zu bleiben – der Wetterbericht sagt wiederum schwachen Wind vorher und der nächste Schlag wird wiederum länger sein.
Landtag in Varberg
Heute Samstag gibt es nur wenig Wind, das dafür aus allen Richtungen – wir spazieren den Kattegatsleden an der Festung Varberg vorbei bis zum Kusthotel. Fast wie auf dem GR34 🙂
Auf dem Rückweg entdecken wir das Hotel Havanna mit ansprechender Menukarte und reservieren für das Abendessen. Nach etwas Erholung auf dem Schiff geht es mit Leihscootern dorthin und wir geniessen Chicken Cuba style und Hirschfilet mit Chorizosauce – sehr fein!
Am Abend braust Agnes mit ihrem Pensionistenscooter noch zur Tvättstuga und macht die erste Wäsche dieses Törns.
Ein – für uns – neuer Hafen an der Westküste
Wir fahren frühmorgens vom sonntäglich ruhigen Varberg los und haben Halmstad im Visier. Am Anfang kaum Wind, dafür T-Shirtmässig warm, dann frischt es bis zu 10 Knoten auf und wir kommen die zweite Hälfte genuasegelnd mit bis zu 5 Knoten südwärts voran. Da wir nun schon das dritte Mal diesen etwas langweiligen Abschnitt durchsegeln, schauen wir auf dem Weg in den kleinen Hafen Skallkroken hinein (Empfehlung von Gerti, bzw. unserem Standard-Schweden-Törnführer). Gefällt uns, wir bleiben für die Nacht hier! Halmstad muss warten – vielleicht auf dem Nachhauseweg…
Die erste Sommerfahrt
Kaum sind wir mit dem Zmorge fertig, kommt auch schon der Mann, der den Steg heute fertig zudecken soll. Wir haben es gestern auch auf der einen Planke geschafft und machen um 9 Uhr los. Die morgendliche Brise lässt uns gut vorankommen, es wird immer wärmer und zwischen 11 und 14 Uhr geht es mal schneller mal langsamer, aber immer im T-Shirt voran. Wir runden Väderö und Kullen und laufen gegen 15 Uhr im kleinen Hafen von Mölle ein. Hier ist noch alles beschaulich ruhig, die vielen Restaurants, Kaffees, Eisidielen und Bars haben alle zu bzw. werden für das Pfingstwochenende aufgemotzt. Immerhin war Mölle offenbar das erste Seebad in Schweden wo Männer und Frauen gemeinsam gebadet haben – der Beginn des schwedischen freizügigen Lasterlebens!
Vielleicht fragen sich einige, was denn so alles während den im Moment doch noch längeren Schlägen auf dem Schiff passiert. Beachtlich wenig 🙂 Wir studieren natürlich fleissig die Seekarte und halten Ausschau nach Objekten in unserer Fahrbahn. Dazu werden auch immer mal wieder die verschiedenen Wetterberichte konsultiert, Webseiten konsultiert ob gerade mitlitärische Schiessübungen auf unserer Route durchgeführt werden, die Segel getrimmt und an der einen oder anderen Leine gezogen. Wir beobachten die vorbeifliegenden Vögel, haben auch schon einige Tümmler und Seehunde gesehen und verjagen die manchmal hartnäckigen Fliegenpassagiere. Ansonsten hat man hier in Küstennähe natürlich auch Internet und so werden mit Marinetraffic die Schiffe unserer Freunde beobachtet, und auf den verschiedenen Blogs die Erlebnisse von Wandernden zu Wasser und zu Lande studiert. Und dann gibt es immer noch Zeit für Diskussionen, Philosphieren, Bücher lesen und einfach Geniessen…
Morgen soll eine Kalt- und ev. Regenfront vorbeischauen, dann gibt es vielleicht einen Hafentag im Decksalon mit Aussicht auf Mölle und mit Krimilesen (z.Z. Gil Ribeiro, Lost in Fuseta; Agnes Band 1, Thomas Band 6).
Auf der Halbinsel Bjäre, die ihr heute auf dem Weg nach Mölle links liegengelassen habt, da wurde 1918 die Jahrhundert-Sopranistin Birgit Nilsson geboren. Anfang August gibt es da eine Meisterklasse mit Anne Sofie von Otter und auch einige Konzerte in der Kirche von Västra Karup. Die sind bestimmt sehr, sehr schön. Es gibt auch ein Birgit-Nilsson-Museum auf Bjäre. Nur, falls ihr zufällig Anfang August da nochmal vorbeikommt!
Also ich geniesse ‚was denn so alles …auf dem Schiff passiert.‘ Kaum wenig, aber die kleinen beschaulichen Beobachtungen lassen in dieser Landratte viel von Eurer Ferienstimmung in unseren noch kühlen Frühsommer wiederklingen. Von den „launischen Winden“ und kurzen Böen ganz abgesehen – die es bei uns eher figurativ gibt. Dass es hingegen auf dieser nordischen Segelfahrt auch Parkprobleme gibt, finde ich eher heiter, vor allem, wenn Ihr Arbeitsschiffen den Platz räumen müsst. Die epikuräische Note nehme ich auch zur Kenntnis: vom historischen ‚freizügigen Lasterleben‘ bis zum zeitgenössischen Havanna-Besuch.
Ich gehe morgen zur Gedenkfeier eines lokalen Mystikers, dessen Hauptwerk, ‚River of Awareness‘ die Flussmetapher als Lebensbeschrieb nimmt; also wie wir uns auf der Flussreise vor- und abwärts einem Mündungserlebnis zu bewegen. Freilich sind seine Naturimpulse nicht in einem Segelboot, sondern im Kanu empfangen…
Aber wie oben bemerkt, ist Euer gemächlicher Betrieb etwas Genüssliches, an dem ich dankbar teilhabe.
Josef