Südspitze gemeistert – neue Richtung: Osten

1. Juni 2023 | 2 Kommentare

Downwind sailing mit Schub

Am Mittwoch geht es bei bedecktem Wetter hinaus in den Öresund. Wobei sich „hinaus“ in engen Grenzen hält – auch hier schippern grosse Tanker hinauf und hinunter. Wir sollten also ausserhalb des breiten Fahrwassers bleiben. Dann auch noch die schnellen Fähren zwischen Helsingør und Helsingborg meistern und beim Rückenwind aufpassen, dass wir keine ungewollte Halse machen. Die Genua kommt bald wieder weg, nur mit dem Grossegel und besagtem Strömungsschub von 1-1.5 Knoten fahren wir 5 Knoten bei knapp 8 Knoten Wind. Nicht schlecht für unser Dickschiff…

Downwind sailing
Strömung kann helfen

Wir machen etwas nördlich von Landskrona im Gästehafen von Borstahusen am noch völlig leeren Gästesteg fest und geniessen den Anlegetrunk bei sonnigem Wetter und 21 Grad.

Lonely guests

Hafenfreu(n)de

Der Wind vor einem Hochdruckgebiet weht ziemlich saftig (20-30 Knoten) und wir machen eine Busfahrt nach Landskrona, Nachdem wir zuerst die richtige Bushaltestelle nicht gefunden haben. Hier löst man ja alles per App und so haben wir zwei 24-Stundentickets für 9 Franken gekauft und es resultierte dann eine kleine Bus-Sightseeing-Tour durch verschiedene Quartiere von Landskrona.

Wir besichtigen den Skulpturengarten, die Zitadelle und essen etwas in der dortigen Konditorei. Zudem gibt es in der Kunsthalle eine Ausstellung der schwedischen Künstlerin Eva Hild, welche mit Ton und anderen Materialien ganze tolle Objekte herstellt. Wir finden auch eine Bäckerei, welche das von uns begehrte dänisches Roggenbrot vorrätig hat.

Skulpturenpark in Landskrona
Zitadelle Landskrona
Eva Hild in der Konsthallen Karlskrona
Eva Hild

Zurück fahren wir wieder mit dem Bus, aber etwas weiter zum Campingplatz von Borstahusen. Dort haben sich nämlich Sabine und Koni eingefunden, welche mit ihrem neuen Gefährt in Richtung Norden unterwegs sind. Wie schon am 10. August 2019, wo wir die beiden im norwegischen Egersund getroffen haben, gibt es ein frohes Wiedersehen und nach einer ausgiebigen Begutachtung des WoMos bald einen Apéro auf der Matariki.

…hat eine TG-Nummer 🙂

Wir haben für den Fall einer späten Ankunft vorsorglich, aber für schwedische Verhältnisse etwas spät (19.30 Uhr 🙂 im Pumphuset reserviert; das Restaurant ruft aber am Nachmittag an und fragt, ob wir auch früher kommen wollen. Das können wir und wir sind am Abend denn auch die einzigen Gäste im Restaurant (welches am Vortag noch sehr gut besucht war). Aber die Fischsuppe und der panierte Fisch sind ausgezeichnet und wir lassen es uns gutgehen…

Bouillabaisse im Pumphuset
Fish & Chips im Pumphuset

Auch am Freitag bläst es unvermindert und wir schalten einen weiteren Hafentag ein. Das gibt nochmals einen gemeinsamen Apéro und ein Nachtessen im anderen Restaurant.

Lebewesen auf dem Steg

Urbane Pfingsten

Mit auffrischendem Wind segeln wir Malmö, der drittgrössten Stadt Schwedens entgegen. Auffallend am Pfingstsamstag ist der permanente Flugverkehr in Richtung Kopenhagen, im 5-Minutentakt machen die Flugzeuge über uns ihren Landeanflug (wie wir auch gegen den Wind :-). Malmö ist von weither zu erkennen anhand des 2005 fertiggestellten Turning Torsos, einem 190 Meter hohen Wohn- und Geschäftshaus, welches von Santiago Calatrava so entworfen wurde, dass sich die 54 Stockwerke in 5er-Blöcken um 90 Grad Richtung Himmel drehen (siehe auch Beitragsbild oben).

Wir machen in der Dockan Marina im neuen Hafenviertel fest. Grüne Schilder mit Breitenangaben kennzeichnen freie Plätze, wir machen an den in Deutschland und Dänemark verbreiteten Heckdalben fest. Es hat viele dänische Boote mit Familien hier – in Dänemark ist auch der Pfingstmontag ein gesetzlicher Feiertag, nicht so im lutheranischen Schweden (2005 abgeschafft zugunsten des Nationalfeiertags am 6. Juni).

Urbanes Bööteln

Bei einem Spaziergang im Hafenviertel können wir die vielfältige Architektur studieren – fast jedes Haus ist anders, aber Balkone und luftige Durchgänge sind offenbar Pflicht. Trotzdem wirkt alles ein bisschen steril bis auf die belebte Hafenpromenande an der Sonnenuntergangsseite.

Promenade von Malmö
Variable Architektur

Kanal und Brücke

Wir verlassen Malmö am Sonntagmorgen und steuern die Öresundbrücke an, die wir am 5. Mai mit dem Auto überquerten. Nun rauscht der Pfingstverkehr samt der Eisenbahn in 28 Metern Höhe über und hinweg und wir nehmen Kurs auf den Falsterbokanal. Hier machen wir kurz fest, um die Brückenöffnung um 14 Uhr abzuwarten. Natürlich sitzt niemand mehr im Kanalturm, das ganze wird per Videokamera von Trollhättan ferngesteuert, wie uns die Hafenmeisterin erklärt. Zur Sicherheit funken wir auf VHF Kanal 11, und tatsächlich antwortet beim 3. Versuch eine Stimme und bestätigt die Öffnung. Von letztem Jahr auf dem Göta- und Trollhättankanal sind wir diese Brückenprozeduren ja gewohnt. Wir passieren die geöffnete Brücke um 14:01. Von Süden her wartet ein polnisches Segelboot mit etwa 10 Personen an Bord kreisedrehend ebenfalls auf die Öffnung, sie haben sich aber zu weit weg bewegt und schaffen es eigentlich nicht mehr – die Brücke geht schon wieder runter. Aber Trollhättan zeigt pfingsttägliche Gnade und sie halten die Schliessung an, bis das Schiff durch ist.

Brücke zu
Brücke auf
Sauna im Kanal

Wir durchfahren den kurzen Kanal und setzen dann Gross- und Genuasegel – von nun an geht es Richtung Osten. Der kleine Hafen von Skåre vor Trelleborg gefällt uns, wir steuern die relativ neu ausschauende Gästemole an, wo wir als einziger Gastlieger auf 2 Metern Tiefe längsseits festmachen. Hier kommt noch der Hafenmeister in Person vorbei und kassiert (natürlich nur Kartenzahlung) 170 SEK. Die sauberen sanitären Anlagen und Dusche haben wir für uns – die Schweden gehen natürlich ins kalte Meer baden. Die Bordküche ist heute auf mexikanisch eingestellt und wir geniessen feine Tortillas.

Wieder mal einsam (noch)
Ein Bootshaus ist auch eine Kunstausstellung

Anstatt Ystad

Bei moderatem Wind setzen wir die Genua und schaukeln gemütlich Richtung Ystad. Einige Meilen vor dem Stadthafen entschliessen wir uns, weil es so schön flott vorangeht, doch nach dem noch 10 Meilen entfernten Kåseberga weiterzufahren. Wir prüfen zuerst, ob wir das Schiessgebiet durchfahren können – letztes Mal mussten wir gehörigen Abstand halten.

Schaukeln mit Rückenwind

Kåseberga wollten wir uns zuerst für die Rückfahrt aufheben (aber man soll ja nichts aufschieben :-). Natürlich kommt es ein bisschen anders: Der (Rücken-)Wind frischt auf und wir haben bald 20 Knoten Schubwind. Dementsprechend nehmen die Wellen auf bis zu zwei Meter (Schätzung von Agnes) zu und wir werden heftiger durchgeschaukelt. Es hat auch keine Segler mehr, alle haben Kurs auf Ystad genommen. Der Autopilot hält den Kurs auch so gut und wir erreichen den kleinen Hafen, in welchem wir wind- und wellengeschützt sicher anlegen. Erst noch gerade noch rechtzeitig, um im Fischladen einen schönen Fisch und leckere Saucen zu bekommen. Menuplan geändert 🙂

Kåseberga

Zum Sonnenuntergang gehen wir natürlich wieder zur Schiffssetzung hoch, welche uns schon letztes Jahr bezaubert hat. Diesmal stellen wir fest, dass auch die Tiere ihre wahre Freude daran haben 🙂

EIn magischer Ort 🙂
Jetzt wissen wir auch, warum die Steine abgerundet sind 🙂

Brot, Wein und Automobile

Wir verlassen am Dienstagmorgen Kåseberga bei schönstem Wetter mit Ziel Simrishamn. Der Wind ist änständig, wir dürfen kreuzen 🙂 Allerdings ist bald wieder Schluss damit und mickrige 4-5 Knoten pusten gegenan. Also tun wir, was alle Mitsegelnden hier tun und motoren den letzten Teil hoch.

Simrishamn ist ein nettes Städtchen mit kleinen Häuschen und einer kurzen Einkaufsmeile. Wir bekommen noch ein dunkles Sauerteigbrot bevor die Bäckerei am Hafen um 16 Uhr schliesst – wie die meisten Läden hier im Ort, einige machen auch erst um 11 Uhr auf; aber am Wochenende wird dann etwas länger gearbeitet und natürlich hat der Supermarkt „alle dagar“ von 7-22 Uhr auf). Der Hafen mit rund 25 Segelbooten ist in deutscher Hand, dazu noch zwei Polen, ein Schwede, ein Finne, ein Holländer und wir. Auf dem Weg in den Kalmarsund ist er eben ein gut besuchtes Etappenziel. Das Nachtessen genehmigen wir uns im Thai Smile, nachdem wir das Thairestaurant direkt im Hafen nur sehr kurz angeschaut haben.

Simrishamn downtown
Kirche St. Nicolai – Schutzpatron der Seeleute
Stilvolles Warten auf Sommergäste
Falls dem Pizzawagen der Käse ausgeht – auch Appenzeller gäbe es hier zu kaufen
Mit diesen wenigen Öffnungszeiten braucht man den Platz halt für Werbung

Der Mittwoch verspricht sehr windig und böig zu werden und wir bleiben – wie einige andere Boote – im Hafen. Zeit, uns die etwas entfernteren Sehenswürdigkeiten anzusehen. Dazu gehört die ziemlich grossspurig auftretende Nordic Sea Winery („Welcome to a world class winery“). Es stellt sich heraus, dass hier neben ein paar Schau-Rebstöcken der Grossteil der ausländischen Weine, welche in den Systembolagets verkauft werden, gelagert, abgefüllt und in die einzelnen Läden versandt werden. Aber immerhin hat das imposante Lokal einen Snack und ein Glas Wein für uns und wir geniessen dies inmitten einer Busladung von Besuchern.

Sieht doch viel versprechend aus

Danach ist das Autoseum an der Reihe. Hier hat der im April verstorbene Nisse Nilsson und seine Frau Erna eine Industriehalle mit automotiven Preziosen eingerichtet. Eine andere Art Schweinemuseum 🙂 Immerhin wird anhand der hochpolierten Rolls Royces, Saabs, Volkswagen, Vanguards und Packards und wie sie alle heissen auch ein Teil Autogeschichte vermittelt (viele von diesen Modellen kennt der SKipper nur aus den früher beliebten Auto-Quartettspielen; einige sind aber schon aus seiner Generation :-). Zu den Ausstellungsstücken gibt es auch Geschichten und man erfährt welches Modell zuerst einen Motorblock aus Aluminium bekam, wo die erste Niveuaregulierung eingebaut wurde, wer es gefahren oder besessen hat etc.

Ins Museum kommen max 2.8 m hohe Ausstellungsstücke?
Zweitwagen
Eine Schönheit – man beachte die Montage der Aussenrückspiegel – die Kiste fährt immerhin bis zu 160 km/h
Des Skippers Jahrgang…
Es Träumli – müsste aber grün sein 🙂

Sprittour

Am Donnerstag verlassen wir Simrishamn zeitig (für uns; 8 Uhr 🙂 und sind nicht die Ersten, am Nachmittag ist Schluss mit Sonnenschein und es sind heftigere Winde angesagt. Viele fahren von hier direkt nach Hanö oder Utklippan und weiter zum Kalmarsund, wir wollen aber noch ein bisschen mehr von der Hanöbucht sehen. Bis 11.30 Uhr wird sanft gesegelt, dann ist Schluss mit dem Wind, welcher über Nord nach Ost dreht. Wir kommen in Åhus an, wo wir im Fluss-Gästehafen einen Platz finden. Bezahlt wird die Hafengebühr im Vandrarhem, dem Cigarrkungenshus.

Vandrarhem und Hafenkontor

Wir genehmigen uns vor der kalten Front ein Glaçe und besuchen das „Absolut Home“. In Åhus wird nämlich der Absolut Vodka in all seinen Facetten gebraut (die Firma gehört dem Pernod Ricard Konzern). Wir lassen die Führung (inkl. Degustation) aus, da sie heute nur in Schwedisch gehalten wird.

Ein Eis muss sein (Viola & Pistache)
Auf Stadplänen offziell als „Spritkyrkan“ bezeichnet
Das wird hier gebraut …
… und getrunken

Geplanter Start in Vindö

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2 Kommentare

  1. Andrea Raab

    Dieses Viech (Marder? Iltis?? Nerz???), das euch da in Landskrona über den Weg gelaufen ist: Genau so eines hab ich am vergangenen Samstag auf der griechischen Insel Thasos gesehen! Ich war aber nicht schnell genug mit dem Fotografieren!

  2. Josef Schmidt

    So langsam wird dieser Schiffsreisebericht ein magisches Reiseabenteuer für diesen Mitlesen und -beobachter. „Strömungsschub/Südspitze gemeistert/Anlegetrunk“ bekommen figurative Bedeutungen – und wenn’s gar ‚gegen Osten‘ (Richtung Putin?) geht, wird es direkt abenteuerlustig.
    Magische Namen (und Bild!) wie die Landskrona Zitadelle (weiss nicht mehr, in welchem Roman), und dann dieser Turning Torsos; mich nimmt wunder, wie stark es schaukelt im 53. Stock, wenn es ‚launig‘ windet! – Bei Roggenbrot muss ich eine Warnung einbringen. Musste jüngst für einen lokalen Chef einen Artikel über dieses Brot übersetzen und erfuhr dabei, dass wegen seiner Köstlichkeit normalerweise bis zu 30% bereits gebackenes übrig gebliebenes Brot wieder in den neuen Teig eingemischt wird…
    Hingegen entdeckte ich im Old Timer Museum eine rote Vespa, die derjenigen eines unserer Nachbarn ‚auf den Tupfen‘ gleicht; nur hat seine einige neu fabrizierte Kratzer und Beulen!
    Also weiter im Text, ich warte auf die nächste Etappe dieser nördlichen Ferienodyssee.
    Josef