In den Kalmarsund

8. Juni 2023 | 4 Kommentare

Am Freitagmorgen verlassen wir Absolut, äh., pardon, Åhus und steuern unser heutiges mit 19sm nahes Tagesziel, die Insel Hanö an (https://hano.nu). Ausser einem spektakulären Wechsel von NNW auf SE um 11 Uhr, der uns die Segel neu ordnen liess, gibt es nicht viel von der Überfahrt zu berichten.

Die Insel Hanö selbst ist offenbar ein sehr beliebtes Ausflugsziel, so meinen es die diversen Hafenführer. Wir machen gut geschützt hinter einer hohen Molenmauer fest und erkunden dann die kleine Insel und ihre Highlights. Die Hafenanlage selbst ist schon sehr gepflegt, alles gut beschriftet, Blumen auf den ohne Code zugänglichen Toiletten, schöner Grillplatz und überall Bänke und Sitzgelegenheiten. Sogar das einzige Restaurant hat offen (es ist Freitag). Wir erklimmen den Berg (60 m.ü.M.) mit dem 16 Meter hohen berühmten, lichtstärksten Leuchtturm der Ostsee (40km Reichweite).

Eiszeitschären
Hanö Fyr

Auf dem Weg dahin besichtigen wir auch das Drachenmal und die Grotte, danach spazieren wir zum englischen Friedhof (Hanö war während der napoleonischen Kriege britischer Ostsee-Stützpunkt).

Der Weg zum Drachen
Immer gut dokumentiert
Der Drachenabdruck!

Beim Rückweg sichten wir auch einige der hier seit 1956 lebenden Dammhirsche. So, nun können die anderen 39‘998 jährlichen Besucher auch noch kommen…

Rund um die zwei Quadratkilometer von Hanö

Heute Samstag umrunden wir die Insel – auf dem Küstenwanderweg zu Fuss. Es geht über Stock und Stein, durch Wäldchen, Geröllhalden und über Schären, aber immer gut markiert.

Wanderweg?
Die wandernde Steindüne

Schon am Morgen füllte sich der Hafen – vor allem mit Motorbooten aus der näheren Umgebung. Als wir nach 2.5 Stunden um 15 Uhr zurückkommen, liegen die Schiffe schon im Dreierpäckchen, auch wir haben einen neuen Nachbarn. Er segelte von einem nahen Hafen her, wie wohl die meisten Besucher. Dass er das aber allein tut (ein sog. Solo-Skipper) verdient auch bei wenig Wind Hochachtung. Kommt dazu, dass er schon über 70 Jahre alt ist und seit 49 Jahren segelt. Als ich ihm zum nächstjährigen Jubiläum schon mal vorgratuliere, meint er trocken, dass dann aber auch Schluss sei 🙂 Ansonsten ist der Hafen pumpevoll mit Booten und Leuten, auch die Fähre kommt immer mal wieder rein, aber abgesehen von einer mit mehreren Sektflaschen an Land irgendwas feiernden Gruppe ruhig und beschaulich.

Am Mittag …
… und am späten Nachmittag

Karl XI

Heute Sonntag leert sich Hanö, die Doppel- und Trippelpäckchen werden aufgelöst. Das Schauspiel wird sich wohl jedes schöne Wochenende wiederholen und Lotta – der resoluten und organisierenden Hafenmeisterin – wird die Arbeit nicht ausgehen.

Mit bestem Halbwind rauschen wir weiter in Richtung Karlskrona. Der sehr kleine Hafen von Aspö ist zu belegt, wir fahren weiter zum Stadthafen, wo wir nach gut fünfeinhalb Stunden festmachen.

Der grimmig dreinschauende Herr ist Karl

Karl, der mit fünf Jahren König wurde, gründete diese Festungsstadt mit 24 Jahren. Schon bei der Einfahrt wird klar, dass dieser Ort nicht nur in früheren Zeiten strategisch-militärisch bedeutsam war. Wir fahren an ein U-Boot Sperre vorbei und links und rechts sind alte und neue Festungsbauten zu erkennen. Vor der Stadt liegen moderne Kriegsschiffe und kasernenartige Gebäude. Ein kleiner Stadtbummel offenbart schöne Gebäude rund um den grossen Platz.

Karlskrona downtown
Dreifaltigkeitskirche, auch als Deutsche Kirche bezeichnet

Der Hafen selbst ist gross, an den Flaggen der Boote könnte man meinen, wir seien in Deutschland 🙂

Flaggenparade

In den sehr grosszügigen sanitären Anlagen offenbart sich dann ein Kuriosum: Die Sauna ist dauerhaft geschlossen! Genau – Energiesparmassnahme der Stadt! Ist es nicht schon fast ein (weiteres?) Zeichen des Niedergangs der skandinavischen Kultur, wenn so ein Heiligtum geopfert wird?

Abschleichen in den Sund

Am Montagmorgen verlassen wir Karlskrona auf einem Schleichweg. Das ist ein Innenfahrwasser, welches an einigen Stellen sehr genau eingehalten werden muss, da links und rechts meist nicht sichtbare Steine liegen und ein Ausweichen bei Gegenverkehr nicht möglich ist. Erst als wir diese Etappe hinter uns haben, können wir ruhigen Gewissens die Segel setzen. Heute kommt das Code Zero, unser 55 m2 grosses Leichtwindsegel, zum Einsatz. Das ist das einzige Segel, dass wir jeweils zusätzlich zuvorderst aufbauen müssen. Jedes Jahr müssen wir das erste Mal gut überlegen, auf welcher Seite das zusammengerollte Segel (eine grosse, dünne Wurst, die aber sehr leicht ist) hochgezogen werden muss und wo die dazugehörigen Schoten durchgehen sollen, damit sich nachher beim Aufdrehen des Segels nichts verheddert. Das gelingt beim zweiten Anlauf 😉 und wir nehmen sogar auch noch den Spinnakerbaum zum Ausbaumen zu Hilfe, damit es stabil auf der richtigen Seite bleibt und bei kleinen achterlichen Winddrehungen nicht gleich zusammenfällt. Ergebnis der Schinderei: Wir werden vom südlichen Wind wunderbar in den Kalmarsund geschoben. Aber irgendwann wird es mit über 15 Knoten zuviel des Guten – dieses Segel ist zu leicht und zu dünn, um mehr auszuhalten. Also wieder reinnehmen und wir tuckern den Rest nach Kristianopel hinein, wo der Hauptsteg zwar schon mit einigen Booten belegt ist, aber noch genung Platz, um mit einer Heckboje festzumachen.

Code Zero in action

Wir erfahren vom Hafenmeister (immer noch derselbe wie letztes Jahr), dass heute der dänische Verfassungstag ist. Das ist zwar in Dänemark kein gesetzlicher Feiertag, aber offensichtlich trotzdem ein freier Tag für viele Dänen, deren Boote auch hier liegen. Da Kristianopel früher eine strategisch wichtige Befestigung war und sogar die Kirche abwechselnd mal dänisch, mal schwedisch war, feiert man hier offensichtlich diesen Tag und dann am Dienstag gleich noch den schwedischen Nationalfeiertag (skandinavisches savoir-vivre eben).

Doppelgängerin

Im Hafen entdecken wir ein schönes Boot – eine Sirius 35DS! Mit der Baunummer 54 wurde sie 2021 ins Wasser gelassen und seither fahren Arne & Klaudia mit ihrer Esteem im kühlen Norden umher. Natürlich wird sofort gefachsimpelt und Tipps und Erfahrungen ausgetauscht. Nach einem Glas Wein auf der Aussenmole zum Sonnenuntergang werden die beiden Boote kritisch beäugt und die eine oder andere Idee wird wohl aufs andere Schiff übertragen. Vor allem der kleine Tisch beeindruckt uns: Der Originaltisch ist etwas zu gross, um im Cockpit daran vorbeizukommen.

So einen Tisch wollen wir auch

Für uns spannend das Konzept einer Sirius als Doppelarbeitsschiff – beide erledigen ihre beruflichen Aktivitäten grösstenteils an Bord und haben die Kojen entsprechen ausgerüstet. So findet sich in der Bugkoje ein grosser, ausklappbarer Bildschirm für den IT-Fachmann und in der Eignerkoje eine kleinere Installation für die Psychotherpeutin, welche gerade heute den ganzen Tag Termine an Bord wahrnahm. Entsprechend ist natürlich auch die Bordelektrik und -elektronik einiges komplexer als auf der Matariki. Zudem kochen die beiden mit einem elektrischen Herd, haben einen Zusatzkühlschrank in einem der Bodenfächer und haben eine kleine Waschmaschine im Technikraum installiert – sehr praktische Erweiterungen für ein längeres Leben an Bord. Zwar müssen die Beiden beruflich kurz zurück nach Deutschland, aber vielleicht sieht man sich im Sommer nochmals im Schärengarten.

Auf nach Öland

Als wir beim Frühstück in unserem Decksalon sitzen, legt ein Schiff nach dem anderen ab. Als wir den Nachbarn fragen, wohin es heute geht, bekommen wir die (logische) Antwort: Nach Kalmar, wie alle anderen hier. Am Dienstag geht es also bei weiterhin SSW-Wind den Kalmarsund hinauf, wir probieren auch mal Schmetterlingsegeln und kommen meist gut voran. Im Gegenzug. Im Gegensatz zu „allen“ fahren wir aber nach Färjestaden, wo wir letzes Jahr schon einmal waren. Zu dieser Zeit ist der Hafen sicherlich fast leer und ruhig, Kalmars Stadthafen ist gleich neben dem Bahnhof und inmitten von weniger schönen Häusern und Silos. Hier gibt es eine sehr gute Bäckerei, Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe und die Pizza im Hafenrestaurant war auch nicht schlecht.

Genauso ist es dann auch. Wir bekommen auch hier einen Nachbarn, der Solo in der Ostsee segelt und helfen ihm beim Anlagen. Wir wollen eigentlich am Mittwoch beide nach Borgholm weiter, aber es kommt anders. Die Wettervorhersage sagt für den Mittwochmorgen 5-8 Knoten aus Ost, die Realität sind bis zu 20 Knoten Dauerwind aus Nordost – genau unsere Fahrtrichtung. Wir wiegeln bis 12 Uhr ab, ob es doch noch ändert, aber es bleibt und so bleiben wir und unser Nachbar auch. Das gibt eine gute Ruhezeit für Putzen, Waschen, Lesen und Einkaufen. Die Bäckerei ist immer noch Spitze und wir geniessen abends auch eine feine Pizza, nämlich eine Scrocchiarella, Agnes Finocchio und Thomas Chèvre – wird natürlich halbe-halbe degustiert.

Auf nach Borgholm

Am Donnerstag gehen wir früh aus den Federn, wir haben aber nur einen kurzen Schlag von 20 nm nach Borgholm vor. Denn die Wettervorhersage prophezeit ab späterem Nachmittag stärkere Winde aus Nordost umd dann kommen wir eh nicht viel weiter. Mit Genuasegeln erreichen wir unser Ziel bis Mittag und machen im grossen Gästehafen fest. Noch ist hier wenig los, aber im Sommer soll das ein sehr populärer Hafen sein. Die Nähe zur schwedischen Königsfamilie in ihrem Sommersitz auf Solliden und das alte Schloss mit seinen Rockkonzerten plus Einkaufsmeile und unzählige Restaurants sind wohl gute Gründe, hierher zu kommen.

Shopping & Eating

Und wie versprochen, dreht der Wind langsam auf Nordost und nimmt böenmässig zu. Wir geniessen bei Sonnenschein und mediterraner Wärme ein feines Risotto mit Spargeln, feiern die ersten drei Wochen auf dem Wasser mit einem Bubbel und liegen gut vertäut mit einigen Nachbarn im Hafen.

Mastenparade

Geplanter Start in Vindö

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4 Kommentare

  1. Loges Susanne

    Ihr zwei Lieben
    Das ist ja spannend zu lesen was ihr so alles erlebt. Beim Lesen bekomme ich geradezu Lust zum reisen. Geniesst eure Zeit. Freue mich schon auf den nächsten Bericht.

  2. Gustav

    Liebe Grüssse von der Moyenne, die heute auf dem Weg von der lettischen Küste zur Insel Kihnu ist. In den nächsten Tagen soll es dann weiter nördlich und dann über Tallin nach Helsinki gehen. Bis auf noch nicht vollends geklärtes Süsswasser an Stellen, wo es nicht hingehört, gibt es nach den ersten 1000 Seemeilen nichts Negatives zu berichten.

  3. Enno Köppen

    Liebe Agnes
    Lieber Thomas
    Danke für die ausführlichen Berichte; „leider“ bekomme ich etwas Heimweh, und die Bilder und schönen Segelerlebnisse vom 2022 sind wieder präsent.
    Hoffentlich könnt ihr euer Code Zero in diesem Sommer häufig einsetzen.
    Herzliche Grüsse
    Enno

  4. Arne Frick

    Liebe Agnes,
    Lieber Thomas,

    über unsere Begegnung in Kristianopel, von der Ihr oben berichtet, haben wir uns sehr gefreut und wollen gerne in Kontakt mit Euch bleiben. Die Heimreise-Woche in Frankfurt will ich gerne nutzen, um auch an unserer Webseite ein wenig zu feilen.

    Herzliche Grüsse, auch von Klaudia

    Arne