In dieser Etappe haben wir eine geografische Breite erreicht, welche nördlicher ist als unser Ausgangspunkt in Orust. Aber das Wetter meint es gut mit uns und es ist merklich wärmer – T-Shirtsegeln ist angesagt, wenn es nicht gerade hart an den Wind geht.
Am Freitag hat es in Borgholm weiterhin Böen und genug Wind aus Nordost, also auf zu Fuss zur imposanten Schlossruine! Nebst den historischen Fakten (Kurzfassung: Piratenburg wurde zu Renaissance- und später Barockschloss ausgebaut, bevor es 1806 abbrante und langsam zur Ruine verfiel) gibt es dieses Jahr eine Ausstellung zur 50-Jahr-Feier der Schlosskonzerte mit schönen Bilddokumenten. Auch unsere „Schiffstaufgöttin“ (Marie Fredrikkson; Mot ökanda hav) von den Roxette hat hier mehrmals an Konzerten mitgewirkt und sogar mehrere Musikvideos (z.B. Listen to your heart) aufgenommen.
Am Samstag ist weiterhin Wind angesagt, aber er soll langsam auf Ost drehen und für einige Tage so bleiben. Damit begraben wir unsere Gotland-Ziele und nehmen den Weg nach Figeholm unter den Kiel. Der Rest des mehrtägigen Windes weht noch in den Kalmarsund und die hohen Wellen zeugen von einigen Windstärken, die heute aber nach Süden weggezogen sind.
Wir brausen also um die diversen Inseln und Leuchttürme und legen gegen 15 Uhr ruhig im schnuckeligen Hafen von Figeholm an. Dieser wird vom lokalen Bootsklub betrieben und ist schon schön herausgeputzt für all die Gäste, die im Sommer hierkommen werden. Wir drehen auf den zur Verfügung gestellten Fahrräder eine kleine Runde im Dörfchen und bugsieren wieder einmal einige Wasserflaschen aufs Boot. Obwohl wir ja meist auf dem Wasser sind, müssen wir darauf achten, dass genügend getrunken wird – so stehen immer zwei Fläschchen bereit, die mindestens einmal ausgetrunken werden müssen – vorher gibt es keinen Anlegetrunk 🙂
Es stehen gut ausgebaute Grillplätze (mit Kamin!) zur Verfügung und wir können unser Fleisch nach kurzer Anfrage in die gemachte Holzkohle einer anderen Crew anschliessen.
Wir verlassen am Sonntagmorgen das lauschige Figeholm und geniessen den seitlichen Wind auf unserer Fahrt Richtung Nordosten.
Nach rund 30 Seemeilen legen wir in Idö an, ein Aussenhafen in der Region Västervik, welcher vom schwedischen Segelverein SXK betrieben wird. Sie sind dort gerade dran, einen Steg herzurichten, an welchem bisher nur mit Heckanker angelegt werden konnte. Für uns ist es dort aber etwas zuwenig tief und auch noch nicht fertig ausgebaut. Wir legen also komfortabel längsseits am anderen Steg an. Da es Sonntag ist, ist auch das Restaurant auf dem Hügel oben (bis 17 Uhr) offen, der Kiosk unten am Hafen aber noch im Aufbaustadium. Wir setzen auf die Bordküche mit Pizza Pollo, da der Smutje einige Lebensmittel als verbrauchsreif gemeldet hat.
Wir plaudern mit den anderen Boaties, das Schiff mit den Grillhelfenden haben wir schon in Figeholm getroffen, neu ist die Ruffina dabei. Da die Bootsnamen ja immer interessieren, ist das neben dem wohin und woher meist auch ein Gesprächspunkt. Den Weintrinkenden kommt ja bei Ruffina schon etwas in den Sinn, aber es passt nur halb, der allseits bekannte Chianti-Weinproduzent heisst ja Ruffino. Also: Die Eigner haben einen Bezug zu „Ruff“, das tönte ihnen aber doch etwas zu „hart“. Sie kennen den Weinproduzenten natürlich auch, aber Schiffnamen sind entweder neutral oder weiblich (wer will hier schon ein Genderproblem vermuten?), also wurde daraus eben Ruffina. Beim täglichen Spähen, wer sich denn so alles in der Nachbarschaft tummelt, sieht man auf marinetraffic ja die kreativsten Schiffnamen, heute z.B. Taxfree, Adrenaline und WetDream.
Obwohl nur vier Schiffe in unserem Hafen liegen, bietet das fünfte, die Ashera mit Heimathafen Berlin, dann doch noch etwas Hafenkino. Sie versuchen, am neuen Steg anzulegen, verpassen es, die Heckboje mit dem Haken zu fassen und fahren dann, als sie endlich angemacht sind, doch nochmals wieder rückwärts raus – die geringe Tiefe war auch ihnen nicht geheuer (und sie haben denselben Tiefgang wie wir, 1.60 Meter, wie wir später erfahren).
Am Montag geht es bei wiederum schwachem, aber günstigem Wind weiter die Küste hoch. Obwohl wir fast sechseinhalb Stunden unterwegs sind, wird es nie langweilig. Das gewundene Fahrwasser erfordert laufend kleine Kurskorrekturen und ein wachsames Auge, es sind aber nur wenige Schiffe unterwegs. Nur eines der nun in Vielzahl auftretenden 3-er Grüppchen von Holländern macht uns einmal das Leben schwer: Der letzte in der Gruppe überholt uns in knappem Abstand auf der falschen (windwärtigen) Seite. Flegel!
Da es so schön läuft, fahren wir an einigen potentiellen Ankerbuchten vorbei und finden nach knapp 30 Seemeilen in Drottningsvik kurz vor Fyrudden ein lauschiges Büchtlein, wo wir alleine mittendrin ankern. Vorbeischwirrende Vögel (inklusive Relingsgäste) und springende Fische sind die einzigen Nachbarn.
PS: Die Lücke in der Route auf Travelmap ist nicht durch Teleportation entstanden, sondern der GPS-Logger wurde zu spät eingestellt 🙁
Ein weiterer Schlag führt uns nach Oxelösund. Hier hatten wir letztes Jahr Andrea aus- und Annelies und Nadja eingeladen. Im Moment auch hier nur wenige Boote – die Aussicht auf den grossen Hafen, in welchem für die Zementherstellung grosse Frachter be- und entladen werden, bietet zwar Abwechslung, aber keine Beschaulichkeit. Immerhin ist der Hafenkontor offen und – oh Wunder, auch der Falafelstand ist wieder da und versorgt uns abends bestens.
Zuvor läuft das uns aus Idö bekannte Schiff, welches mehrmals angelegt hat, in den Hafen. Und siehe da, nach einem erfolgreichen Heckbojen-Anleger, bei welchem wir wie üblich mit den Leinen assistiert haben, wird wieder abgelegt und sie legen sich wie wir längsseits an den leeren Steg. Auf den Spruch, dass sie für uns nun die Meister im Mehrfachanlegen seien, meint die Skipperin der Ashera trocken: „So bleibt man gut in der Übung“. Wir erfahren, dass sie schon mehrmals hier gewesen sind und morgen das gleiche Ziel wie wir haben, eine Ankerboje in Soviken, nördlich der Insel Landsort.
Am Abend machen wir jeweils anhand der Wind- und Wetterprognosen die definitive Planung für den nächsten Tag. Wir haben dieses Jahr ja bisher eine ähnliche Route wie 2022 und deshalb suchen wir immer wieder neue Orte aus, an den wir anlegen oder ankern können. Auf dem groben Törnplan stehen im Moment Utö und dann die Åland-Inseln, die wir gerne noch vor Ausbruch des midsommars hier in den Stockholmer Schären erreichen wollen. Auch ein kurzer Blick auf mögliche Zwischenziele offenbart, dass sich die Gegend ab nächster Woche hier ziemlich füllen wird. Letztes Jahr konnten wir mit Regina und Enno noch einen Abstecher nach Sandhamn (Viveca Sten und so…) machen, das würde dieses Jahr schwieriger:
Am Mittwoch machen wir uns also auf den Weg. Zuerst ist es sehr schwachwindig und wir beschliessen, statt das küstennahe Fahrwasser zu benutzen, etwas Wind auf dem offenen Meer zu suchen. Nach einiger Zeit bläst es tatsächlich ein bisschen und wir können fast die ganze Windstärke von 5 Knoten in Fahrt umsetzen.
Allerdings finden wir in der Zwischenzeit heraus, dass auch der kleine Hafen auf der Insel Landsort einen Besuch wert sein soll und wir laufen Öja Norrhamn auf Landsort an. Von den in den Hafenguides versprochenen Heckbojen ist aber nichts zu sehen, also schmeissen wir den Heckanker raus und legen so am Holzsteg an. Auch das also wieder mal geübt…
Wir leihen uns ein Fahrrad aus und nehmen die Inselroute nach Süden zum bekannten Leuchtturm Landsort Fyr. Das ist der älteste immer noch genutzte Leuchtturm in Schweden und markiert auch den südlichen Übergang zum Stockholmer Schärengarten.
Nach der Rückkehr ist etwas Action im Hafen: Ein Taucher ist unterwegs und es werden Dinge im Wasser versenkt und Ketten rumgeschleift. Bald merken wir, um was es geht: Die Heckbojen gibt es, aber sind gerade in der Restauration.
Der Donnerstag verspricht laut Vorhersage, fast windlos zu werden. Bei 0.7 bis 2.5 Knoten Wind kann man das so sehen. Wir machen also auf Motorboot und steuern mit Dieselwind Utö an, wo wir zwei Tage bleiben wollen.
Natürlich vor allem wegen der dortigen Bäckerei, welche wir letztes Jahr schätzen gelernt haben und die nun seit Mittwoch offen ist! Angesichts der Vorsaison fahren wir zum nördlichen Hafen und finden dort auch gut ein Plätzchen am Hauptsteg vor dem Hamnboden. Beim erneuten Heckanker-Manöver klemmt sich zu guter Letzt eine Schraubenmutter (darf man das noch schreiben?) fest. Wir sind zwar vorne schon fest, kommen aber nicht genug nahe an den Steg – der Nachbarskipper reicht aber innert kurzer Zeit den passenden 17er-Schraubenschlüssel rüber und wir können das Malheur beheben und die Hilfe mit einer Schweizer Schoggi verdanken.
Der Gaststeg im unteren Hafenteil, den wir letztes Jahr benutzten, ist verwaist. Es hat aber noch ausreichend Tagesgäste und Neuankömmlinge, dass wir genug Unterhaltung haben.
Wir merken an einigem Lärm im Hafen bald, dass hier am Samstag der erste Swimrun-Event der Saison hier stattfinden wird. Ötillö (zu deutsch: von Insel zu Insel) wurde hier in Utö „erfunden“ und ist mittlerweile ein weltweiter Sport geworden. Hier wird z.B. sechseinhalb Kilometer gerannt und anderthalb Kilometer geschwommen. Der Witz dabei ist aber, dass das nicht am Stück geschieht, sondern eben von Insel zu Insel. Das ergibt dann sieben Renn- und 6 Schwimmstrecken vom Start zum Ziel.
Nach kurzer Überlegung entschliessen wir uns, doch. nicht beim „First Experience“-Teilnehmerfeld mitzumachen 🙂 Wir machen dafür am Freitag eine kleine Velotour auf der Insel – das Wasser ist mit 17 Grad eh zu kalt.
Der Hafen füllt sich langsam mit Segel- und Motorbooten. Auf der einen Seite nur Segelboote, da herrscht Ruhe, auf der anderen Seite nur Motorboote mit dauerschwatzenden und dem Alkohol zugeneigten Männercrews.
Danke für die tollen Fotos und Kommentare.
Utö Bageri, sehr sehr lecker! Ich hoffe die morgendlichen Lieferungen klappen auch ohne mich.
Liebe Grüsse Enno
Also heute Samstagmorgen hat es geklappt – aber wir lagen ja auch etwas näher dran 🙂
Nach wie vor verlocken Eure Bilder und Kommentare zur Beschaulichkeit; im letzten Blog taten es mir die Segelwörter „Abschleichen“ und „Leichtwindsegel“ an.
Diesmal wird es direkt archetypischer mit: Königin in ihrer Schlossruine/Auch im Wasser hinterlässt man Spuren/verbrauchsreife Lebensmittel/ungebetener Gast Kakerle/ Tiefgang von 1.6 m/alte Ketten, neue Ketten.
Und dann natürlich wird es biblisch, wenn der Matariki Segler zwar nicht vom Brot allein, jedoch mit recht appetitlichen Brotgeschöpfen Köstliches verbildlicht!
Danke
Josef
Danke euch beiden für die schönen Bilder und den spannenden Bericht. Beim Lesen reise ich ein bisschen mit euch mit, gedanklich. Wer von euch schreibt den Bericht? Ich wünsche euch weiterhin eine tolle Reise mit schönen Erlebnissen. Liebi Grüessli
Die Berichte schreibt natürlich ChatGPT 🙂
Der Skipper legt vor, die Skipperin korrigiert :-()