Wieder ins Stockholmer Gewusel

29. Juli 2023 | 3 Kommentare

Als wir am Freitag, 21. Juli, in Richtung Süden losfahren, brauchen wir zuerst das Code Zero Segel, um überhaupt etwas Fahrt zu machen. An Land türmen sich wieder Wolken und bald müssen wir auf die Genua wechseln, denn der Wind und die Böen nehmen zu. Irgendwann werden aber die Wolken zu dunkel und landseitig blitzt und donnert es. Wir packen das Tuch ein und motoren die letzte Strecke zur Stor Jungfrun. Die grösste Insel im Archipelago von Söderhamn ist ein Naturreservat und hat einen kleinen Hafen auf der Ostseite. Dieser hat genau zwei Heckbojen – der Rest braucht einen Heckanker. Siehe da, wir müssen unseren neuen Heckanker nicht fallen lassen, sondern können noch an einer Boje partizipieren. WIr besichtigen den eindrucksvollen Leuchtturm und brechen zum Inselspaziergang auf. Nach einigen hundert Metern im Wald kehren wir um – das Wetter hat die Mücken aktiviert und wir sind ohne Mückenspray losgezogen 🙁

Am Samstag geht es weiter die Küste hinunter. Wieder einmal ein Tipp von der Nele – nach Axmar Bruk. Eine 350-jährige Eisenhütte lädt zum Besuch, ein Café zur Fika und der Havskrog mit fantastischer Aussicht zum Abendessen. Als Nachbarn haben wir wieder einmal ein Schiff, das am Midsummersail von Wismar nach Haparanda teilgenommen hat. Sie „gestehen“ uns, dass sie mehrmals ans Aufhören gedacht haben, weil es so gestürmt hat und ihr Boot auch nicht ganz dicht war. Aber stolz tragen sie nun ihre „Finisher“-Jacken und tingeln nun wie wir langsam südwärts.

Am Sonntag machen wir uns um 8 Uhr auf und haben perfekten Südwestwind. Wir sausen damit um die ganze Gävlebucht und haben ein kleines Rencontre mit dem Segelschiff „Agnes“ bis wir nach sieben Stunden auf der kleinen Insel Björn zwei freie Bojen ausmachen. Wir bedienen uns und geniessen den ruhigen Abend.

Wieder um 8 Uhr geht es weiter, diesmal ohne Wind, dafür mit – Fliegen und massenhaft Mücken! Björn ist ein Vogelschutzgebiet und offenbar fühlen sich auch die kleinen Plagegeister dort wohl. Es gibt einen herben Kampf zur Säuberung des Cockpits, aber ohne Wind finden die Biester schnell wieder zurück zur Gratisfahrt. Nur der Einsatz von Schweizer-Tennis-Kampfmitteln (wenn Roger das wüsste 🙂 und eine radikale Kehrtwende in den Fahrtwind helfen ein bisschen.

Wir erreichen also am Montag Öregrund einigermassen tierchenbefreit (übrigens – auch anderen Siruslern geht es weit im Süden nicht besser). Hier wollen wir auch den Dienstag abwettern, welcher vor allem Regen und Südwind verspricht. Hier im Städtchen ist etwas los, die Restaurants, Einkaufsläden und die Eisdielen sind voll von Feriengästen. Aber auch das alte Städtchen ist sehr sehenswert und irgendwo weht bei einem Haus sogar eine Schweizer Flagge. Wir essen am Montag ausgezeichnet im Restaurant Hummelgrund und reduzieren am Dienstag auf eine feine Pizza im Gula Huset. Auf dem grossen Wandbildschirm fährt die Rhätische Bahn dürch die Alpen…

Nach dem Regentag geht es am Mittwoch wieder los. Bei optimalem Wind rasen wir Richtung Arholma. Berauscht von der Geschwindigkeit lassen wir erst nach siebeneinhalb Stunden und rund 40 Seemeilen in Lidön Österhamn den Anker fallen. Nun sind wir wieder im belebten Umfeld von Stockholm gelandet – entsprechend sieht es in der Bucht aus wie in der Karibik – alle Felsplätze sind belegt und auch geankert wird dicht an dicht.

Bei sonnigem Wetter legen wir am Donnerstag etwas später los und nutzen den Südwind um ins Stockholmer Archipelago nach Husarö zu gelangen. Natürlich dürfen wir im Blidösund wieder einmal fleissig kreuzen, aber das gehört ja dazu. In Husarö ist eigentlich nichts los – der Hafenführer warnt vor fehlender Infrastruktur und Schwell durch Fähren und Wind. Na ja, auch das ist relativ – hier im Schärengarten treiben die Fähren überall ihr Unwesen und man schaukelt während dem Segeln, am Ankerplatz und selbst in den Häfen immer ganz schön. Zudem hat die Gemeinde auf Husarö mittlerweile eine Toilettenanlage mit WC und Dusche eingerichtet – mit einer SMS bekommt man für 10 Kronen den Zugang. Auch der kleine Lanthandel bietet eine gute Auswahl zum Einkaufen. Wir spazieren etwas auf der Insel umher, ein netter Schwede rät uns zu einem Rundgang. Bewaffnet mit einer verschliessbaren Plastikdose und Mückenspray sammelt vor allem der Smutje Blaubeeren. Noch etwas säuerlich, aber an den sonnigen Stellen bereits reifer werden sie uns den nächsten Zmorge versüssen.

Für den hier in Stockholms Nähe üblicherweise ziemlich vollen Schärengarten haben wir am Wochenende in Svartsö einen Platz reserviert, wie schon letztes Jahr wollen wir im dortigen Krog den Start unserer Rückreise feiern. Zuerst stoppen wir noch kurz in Ingmarsö, wo wir alibihalber an die Tankstelle gehen. Unser eigentliches Ziel ist der kleine Laden der Bäckerei im Hafen, wo wir wunderbares Brot und Zimtschnecken erstehen und der Hafenladen, wo die Skipperin ein T-Shirt ersteht. In Svartsö kommen wir kurz nach Mittag an. Auf den Weg zum Bistro verzichten wir am Freitag abend angesichts des unsteten Wetters, welches immer wieder mal einige Tropfen mit sich bringt. Wir sind umringt von Motorbooten, welche auch in Stegnähe nicht davor zurückschrecken, den Schwell der Fähren durch rasantes Heranbrausen noch zu verstärken 🙁 Im Motorboot unseres Stegnachbarn sitzt ein älterer Mann, welcher ein Shirt mit der Aufschrift „Icebreaker Oden“ trägt. Darauf angesprochen erzählt er uns, dass er während 25 Jahren als Doktor bei Arktis- und Antarktisexpeditionen dabei war und gibt gerne einige Geschichten daraus zum Besten. So ein Einsatz in der Antarktis beinhaltet z.B. einen Rund-um-die-Welt-Flug nach Südamerika, 60-90 Tage an Bord des Eisbrechers, wo die jungen Forscher medizinisch betreut werden müssen und dann wieder zurück nach Schweden. Eine notfallmässige Rückführung aus dem Eis kostet schnell mehr als hunderttausend Franken – da ist gute Diagnostik gefragt. Am Samstag ist es wieder sonnig und wir spazieren rund um den Binnensee – abseits vom gut besuchten Fährensteg und den kleinen Strässchen sind wir hier allein unterwegs.

3 Kommentare

  1. Regina Köppen

    Gute Erinnerung an Ingmarsö und Svartsö kommen auf.
    Euch viel Spass weiterhin auf schwedischen Seewegen!
    Herzlich Regina und Enno

  2. Ingo und Kerstin Trost

    Toller Beitrag von uns in Axmar Brug! Vielen Dank von der Up un Dal (auf und ab) aus Wismar und viele seglerische Grüße Ingo und Kerstin
    Weiter auch schöne Grüße von unseren Vereinsmitgliedern mit der Matariki.de an die Matariki.ch

  3. Josef Schmidt

    Diesmal stockte ich schon beim Titel: Der Duden vermerkt unter „Gewusel“ nur „Landschaftl“ (kleingeschrieben, was wohl ‚Dialekt‘ heissen soll). Erst Google informierte über „Durcheinander.“
    Wiederum erlabten mich die landschaftlichen und kulinarischen Stilleben – es ist ferienmässig erholsam, mit Euch zu reisen. – Die Mückenplage weckte ebenfalls Erinnerungen; aber wir leben auf dem 7. Stock, und diese Höhenflüge machen sie nicht, das habe ich damals in China kratzend erfahren!
    Ein Konterfei von Agnes mit Frontalansicht wäre in Zukunft erwünscht, damit ich wieder weiss, wie sie aussieht.
    Inzwischen haben sich auch bei uns nautische Neuigkeiten ergeben: Auf Grund mehrer Reiseberichte haben wir uns entschlossen, auch eine kleinere Kreuzfahrt auf nächsten Frühsommer zu buchen. Den St. Lorenz hinunter nach Boston und wieder zurück, also eine Rundfahrt ohne Flug!Da „altersbedingte“ Vorsicht mit ev. Annullierungen mitspielt, ist das alles etwas kompliziert.
    Euch weiterhin unbeschwerte Fahrt! Herzlich Josef