Am Sonntag, 4. Mai, leert sich der Hafen zusehends. Wir geniessen Hafenkino und lernen den „anderen“ Segler im Gästehafen kennen – Mario, ebenfalls ein Schweizer, der zur Zeit allein unterwegs ist. Nach einem Kaffee auf der Matariki dürfen wir sein Schiff, eine Hallberg Rassy 44, besichtigen. Die „Jessilu“ ist ein beeindruckend grosses, grosszügiges und innen sehr helles Boot mit einem Mittelcockpit, welches wie unsere Sirius sehr gut handwerklich gebaut und eingerichtet ist. Natürlich ist sowas einiges schneller als wir unterwegs (Länge läuft). Er empfiehlt uns die Strömstad Marina, wo er jeweils den Frühjahresservice (selbst) macht, für unser Motorproblem.
Am Montag fahre ich also mit dem eScooter zur Marina. Krille, der Werkstattchef, verdächtigt auf meine Schilderung der Problemsymptome die elektronische Steuereinheit (für Fachleute: Volvo Penta MDI Unit) – das Teil wurde auch gemäss meinen Internetrecherchen häufig als Problemkandidat besprochen. Es ist leider etwas teuer und einfach so auf Verdacht hin auswechseln – ist das eine gute Idee? Aber die Marina hätte erst in einigen Tagen Zeit, auf intensivere Spurensuche zu gehen. Ich bin etwas unschlüssig und fahre wieder zurück zum Schiff: Einfach probieren oder warten? Ein kurzer Austausch mit Mario gibt aber dann den Ausschlag: Es schadet auch nichts, wenn man ein solches Teil als Ersatz dabei hat (falls es nicht das Problem wäre). Er verfügt auch über ein Kärtchen für die kleine Seilfähre, welche den Weg dorthin erheblich verkürzt (auch mit dem eScooter) – das habe ich gerne genutzt. Teil gekauft, in den Motorraum gekrochen und ausgewechselt: Immerhin habe ich nichts kaputt gemacht: Im kalten Zustand lässt sich der Motor immer noch starten und stoppen. Wir beschliessen, am Dienstag zur Probe in Richtung Skjaerhamn in der Nähe hinauszufahren und zurückzukehren, falls es doch nicht reibungslos klappt.


Am Wochenende ist noch eine weitere Hallberg Rassy 44 „Comhla“ eingelaufen, die wir ab und zu schon auf dem AIS gesehen haben. Entpuppt sich auch als Schweizer Boot, das in Norwegen unterwegs war und nun wieder Richtung Ellös fährt. Am Montag ist der Hafen in der Hand von sechs Segelbooten: Drei Schweizer und drei Norweger – keine Motorboote mehr da.

Es geht also am Dienstag los und wir lassen den Motor fast eine Stunde warmlaufen, bevor der grosse Testmoment kommt: Ohne zu Mucken tut der Motor genau das, was wir ihm am Schaltpanel eingeben – bingo, wir können weiterfahren. Also reaktivieren wir unser altes Ziel in Norwegen: Das „Ende der Welt“ (Verdens Ende) auf der anderen Seite des Oslo-Fjords. Nach einem schönen Segeltag erreichen wir den im Sommer sehr beliebten Hafen. Auch die Hafenanlage ist aussergewöhnlich: Die Felswände zieren die WC-Anlagen. Wir feiern die geglückte „Reparatur“ mit einem feinen Nachtessen im Aussichtsrestaurant „Spiseriet“.








Das Ziel am Mittwoch ist ein weiterer, uns noch unbekannter Ort in Südnorwegen (wo wir ja schon 2019 einiges gesehen haben). Es ist wieder mal eine „Jungfrauen“-Insel, aber nicht mehr die Blaue Jungfrau wie in Ostschweden, sondern einfach „Jomfruland“. Wir erkunden bei einem Rundgang die beiden Leuchttürme und den Strand der runden Steine auf der anderen Seite der Insel. Bis auf eine Gruppe Kanuten und eine Schulklasse sind wir aber wohl die einzigen Gäste auf der Insel. Am Morgen kommt ein kleines Motorboot aus welchem zwei Rasenmäher ausgeladen werden – hier wird für die nahende Saison aufgerüstet.






Auch am Donnerstag suchen wir einen neuen Platz und ankern in Dalskilen, einer kleinen Bucht vor Arendal. Eine etwas schmale Einfahrt, aber im runden Büchtchen sind wir wunderbar geschützt. Einige Sommerhäuschen säumen das Ufer, Magnolien blühen in Gärten. Wir verbringen eine ruhige Nacht, mal abgesehen von den Möwen, Gänsen, Schwänen und unzähligen weitern Vogelarten.






Anhand der Wetterprognosen wollen wir nun etwas zügiger gegen Westen kommen und Kap Lindesnes und die Halbinsel Lista bald runden. Diese sind bei garstigem Wetter schwierig zu passieren, da sich dort unangenehme Wellen aufbauen können.
Am Freitagmorgen hat es noch kaum Wind, also nehmen wir die Route („uninspired“ wie der Norwegenführer von Judy Lomax meint) nach Arendal und stechen erst dann wieder in See. Dank Rückenwind meistern wir mit der Genua die ebenfalls von hinten kommenden Wellen brav und segeln bis zur EInfahrt vor Lillesand. Diesen Hafen kennen wir bereits, aber nach sechs Jahren hat sich einiges verändert beziehungsweise haben sich unsere Erinnerungen abgeschwächt. Aber nach dem Anlegen kommen auch diese wieder und wir finden uns im kleinen Dörfchen schnell zurecht. Wir füllen einige Vorräte und staunen über die auch im Vergleich zu Schweden saftigen Preise im Vinmonopolet. Am Wochenende ist man auch hier nicht mehr ganz allein – zu allem Unglück macht sich der Sjøboden mit einem Konzert von Onkel Tukku (oder so ähnlich) bis in die späten Nachtstunden bei der Skipperin unbeliebt. WIr erleben eine Sesselparty und ein Geburtstagsständchen in den Nachbarbooten mit und ein Rudel junger Mànner hat es am Abend wohl etwas übertrieben wie der erste Blick auf den Steg am Morgen offenbart.


Für den Samstag haben wir uns einen längeren Trip durch die Blindleia und dann nach Mandal vorgenommen. Also früh auf und zuerst sorgfältig durch die fast 20km lange malerische Innenpassage getuckert. Erfrischend leer, d.h. fast ohne Motorboote ist die Passage sehr ruhig. Die teilweise hochmodernen Sommerhäuschen sind fast alle noch unbewohnt. Der Himmel gibt sich bedeckt, dafür steigen heute die Temperaturen auf 19 Grad Celsius. Bislang hatten wir ja eher 15 Grad tagsüber und nächtens ging es manchmal gegen 5 Grad – aber eine heizbare Decksalonyacht kann das nicht erschüttern und ihre Bewohner sowohl in der Nacht als auch beim Segeln gut warm halten.
Danach geht es wieder raus aufs Meer, wo wir bei weiterhin bedecktem Wetter mit der Genua gut vorankommen. Als das Wetter dann zu „wolkenlos“ wechseln, verabschiedet sich auch der Wind und wir müssen den Motor zu Hilfe nehmen, wenn wir noch ankommen wollen. Da uns aber die Welle und die Strömung von hinten schieben, spurten wir mit bis zu 7 Knoten unserem Ziel entgegen. Auch diesen Hafen kennen wir schon, können sogar am besten Steg anlegen. Am Steg liegen internationale Boote: Ein französisches Boot ist auf ähnlicher Route wie wir unterwegs, ein Deutscher ist mit einer 49-Fuss Oceanis in zwei Tagen allein vom Ijsellmeer hierher gesegelt – er füllt nur kurz Wasser auf und verzieht sich dann irgendwo an einen Ankerplatz; die Familie komme erst in zwei Wochen nach. Im Städtchen sind unsere Erinnerungen noch intakt, wir erkennen vieles wieder. Allerdings sind einige neue Wohnkomplexe entstanden und nun befindet sich eine gute Einkaufsgelegenheit gerade in einem Neubau nahe am Hafen. Da lernen wir wieder eine dieser tollen Alkoholregeln kennen: Im Supermarkt verkaufte Biere können unter der Woche nur bis 20 Uhr, am Samstag nur bis 18 Uhr und am Sonntag gar nicht verkauft werden. Wir geben also das Lindesnes-Bier an der Kasse wieder ab (wir waren 3 Minuten zu spät – die Kasse kann das nicht mehr einbuchen). Danach geniessen wir unseren ersten Hamburger bei „Hr. Redaktør“ und kommen dank Fensterplatz für einmal statt zum Hafen- zum Strassenkino.







Sonntagmorgen lassen wir es gemütlich angehen. Im Hafen hat sich zwar schon einiges getan. Über Nacht ist eine Decksalonyacht am Boot hinter uns ins Päckchen gegangen, die Franzosen und die Schweden sind schon früh mit Ziel Egersund weg. Nach der Ausfahrt können wir Gross und Genua setzen und werden wiederum von hinten geschoben. So machen wir 6 Knoten fast schaukelfreie Fahrt und ohne Gegenwind fühlen sich auch die 16 Grad fast schon warm an. Zudem haben wir endlich den Trick gefunden, mit 1.7 Knoten Wind 4.8 Knoten Fahrt zu machen (ohne Motor!). Weil es so gut läuft, lassen wir Farsund rechts liegen und fahren noch um Lista herum. Es schaukelt teilweise heftig von einer massiven Dünung, welche grosse Wassermassen Richtung Land schiebt: Hier treffen Nordsee und Atlantik aufeinander. Kurz vor Kirkehamn, das wir 2019 schon besucht haben, entschliessen wir uns, wieder etwas Neues zu entdecken und biegen nach Rasvåg ab. Netter kleiner Hafen, der von einem Verein geführt wird. Hafengebühr ist 100NOK, die man per IBAN überweisen kann (VIPPS, das Pendant zu Twint, gibt es nicht für Ausländer 🙁 Wir beschliessen den Tag mit einer Pinsa aus dem Backofen.



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