Der morgendliche Regen in Silda hält uns davon ab, den Inselrundweg unter die Füsse zu nehmen, er führt nämlich über Klippen und durch morastiges Gelände. Als es wieder aufklart, spazieren wir zum einzigen Restaurant der Insel. Beim kleinen Imbiss und einem guten Bierchen erfahren wir, dass die Gerantin erst seit diesem Jahr hier wirtet. Sie ist zwar in dieser Gegend aufgewachsen, lebte aber bislang in Kristaniansand, also an der Südküste und hofft nun auf eine gute Saison, welche sie mit Musikevents etc. anreichert.


Am Montag, den 9. Juni, geht es weiter rund um Stad (oder Statt). Diese Umrundung ist nicht ganz ohne, denn bei stürmischem Wetter bilden sich hier hohe Kreuzseen, die einem kleinen Schiffchen nicht sehr zuträglich sind. Aber obwohl es ja nicht stürmisch ist, bilden sich dennoch ganz ansehnliche Wellen und eine hohe Dünung. Also ein währschaftes Geschaukel – mit etwas Segeln und etwas Motorsegeln umrunden wir die Halbinsel, bis wir dann von hinten wieder in ruhigere Gewässer geschoben werden. Norwegen hat für diese Route ein Schiffstunnel in Planung. Laut Berichten ist das Geld dafür gesichert und gerade dieser Tage läuft die Eingabefrist für die Ausführung des „Stad Ship Tunnel“ ab. Der Tunnel soll ca. 50m hoch und 40m breit werden, es könnten also auch Hurtigrutenschiffe (im Einbahnverkehr) durchfahren. Wir laufen den Hafen von Sandshamn an, wo bereits die „Kiry“ wartet. Wir haben Riet und Ute 2023 das erste Mal im schwedischen Skärhamn getroffen, sie ist eine etwas jüngere Schwester unserer Sirius 35 mit einem Kimmkiel. Sie hatten ihr Winterlager nahe Bergen gehabt, wir haben ihre Statusberichte erhalten und sie natürlich auch in Marinetraffic verfolgt. Nach dem üblichen Klönschnack geniessen wir ein feines Nachtessen im Restaurant des Hotels Rosenlund.


Am nächsten Tag zieht es uns in die Fjorde und wir schippern nach Ørsta. Bei wechselhaftem Wetter erhaschen wir ab und zu herrliche Aussichten auf die oft schneebedeckten Berge. Das Örtchen selbst ist unspektakulär, wir sind auch die einzigen Gastlieger. Erstaunlicherweise ist hier der Liegeplatz mit 350 NOK teurer als in Sandshamn, wo eine weitaus bessere Infrastruktur vorhanden war.
Also geht es am Mittwoch wieder den Fjord hinaus. Kurz vor Ålesund passieren wir ein Marineschiff, das bald darauf kehrt macht, ein Böötchen runterlässt und ja – uns mit der 3. Kontrolle auf diesem Törn beglückt. Diesmal aber richtig, drei Personen „entern“ die Matariki: Einwanderungsbehörde, Polizei und Zoll kommen an Bord. Also Pässe zeigen, nichts zu deklarieren und, man staunt, der Skipper muss zur Alkoholprobe ins Röhrchen blasen! Aber alles sehr professionell und fast nett, wenn nur die gruusigen schwarzen Stiefelspuren an Deck nicht gewesen wären. Beim rüberspringen auf ihre Barkasse haben sich dann einige Wellen aufgebaut (das ganze spielt sich übrigens bei laufender Fahrt mit 3 Knoten ab), fast hätte einer noch nasse Schuhe bekommen. Ich habe dann aber freundlicherweise unseren Kurs so geändert, dass sie einfacher aussteigen konnten. Im Hafen erfahren wir später, dass an diesem Tag alle Segelschiffe in dieser Gegend sokontrolliert wurden.


In Ålesund suchen wir zuerst ein Plätzchen im inneren Hafen, da könnten wir ins Päckchen zu Belgiern gehen – die wollen aber am nächsten Morgen um 3 Uhr früh ablegen. Wir finden dann doch im vorderen Teil ein gutes Stegplätzchen mit toller Sicht auf die schönen Hafenhäuser. Das kommt uns entgegen, denn wir wollen einige Tage hier liegen bleiben und die Umgebung erkunden. Das Wetter ist zur Zeit touristenfreundlich, das heisst, es ist sonnig und einigermassen warm. Wir erklimmen den Hausberg und bestaunen die vielen Jugendstilhäuser, welche nach dem grossen Brand von 1904 hier errichtet wurden.




Am Donnerstag feiern wir die 6‘666 Seemeilen, welche Matariki mit uns bereits zurückgelegt hat, im Restaurant „Bro“.



Für Freitag und Samstag haben wir ein Auto gemietet, um die Fjorde auch einmal von der Strasse her zu erleben. Wir machen eine schöne Rundtour bis zum Romsdalfjord nach Åndalsnes. Hier ist der Ausgangspunkt für eine Bergbahn zum Kletter- und Wandergebiet Trollvegen und der Schlusspunkt für einen Nebenast der Eisenbahnstrecke Oslo-Trondheim. Durch Unterwassertunnel und Fähre gelangen wir nach Kristiansund, wo wir ein Hotelzimmer auf der südlichen Insel gebucht haben. Das Auto wird am Strom angeschlossen und wir gelangen mit der kleinen Fähre in das unspektakuläre Städtchen und nach einem Apéro mit dem Bus wieder zurück.






Am Abend geniessen wir im nahen „Dødeladen“ das Nachtessen inmitten einer lauten Abendgesellschaft. Der portugiesische Koch bereitet den hier oben üblichen Stockfisch (Klippfisk auf norwegisch) als Bacalhau zu und für den Skipper gibt es aus Porto-Wehmut ein Francesinha; nur portugiesischen Wein haben sie keinen.





Für die sonnige Fahrt am Samstag zurück besuchen wir noch die Stabkirche Kvernes (die jüngste und sehr gut erhaltene norwegische Stabkirche aus dem 16 Jhd.) und nehmen dann wieder mit Meerestunnels und Fähren den imposanten „Atlanterhavsveien“, welcher auf Brücken über die Schären und Inseln führt. Wir kommen am späten Nachmittag in Ålesund an, wo der Volvo während einem Einkauf schnellgeladen und nachher retourniert wird.







Wir haben aber offenbar unseren Wetterbonus in den letzten Schönwetter-Tagen aufgebraucht – für die nächsten Tage sind wieder Regen und unklare Winde angesagt. Wir verwerfen also unsere Pläne, nochmals in einen Fjord zu segeln – das wären mindestens 6 Stunden rein und wieder raus bei unklaren Sichtverhältnissen. Dann nehmen wir lieber die schönen Bilder von unserem Landausflug mit. Kristiansund wird also dieses Jahr unsere nördlichste Station zu Land und Ålesund zu Wasser gewesen sein.


Im Schlechtwetterprogramm stehen dafür am Sonntag das informative Jugendstilmuseum und das Fischereimuseum an. Nach dem alles zerstörenden Brand von 1904 gab es aufgrund einer Baukrise in Oslo plötzlich viele freie Arbeitskräft und Architekten, welche den damals trendigen Jugenstil mit nordischen Komponenten erweiterten.














Ålesund und Kristansund waren offenbar auch die Zentren der Stockfisch-Produktion in Norwegen. Die Portugiesen hatten die Technik hierher gebracht und lieferten mit ihren Schiffen Salz in den Norden und nahmen den Fisch anschliessend nach Hause.




Am Sonntagabend gehen wir mit der Crew von der Kiry noch auf ein Bierchen in die Molo-Brauerei und anschliessend in das feine indische Restaurant „Rasoi“. Die Kreuzfahrtschiffe kommen nun in immer dichterem Takt, zeitweise liegen drei solcher Kähne (mit jeweils bis zu 3‘000 Passagieren) an den Quais. Hop-on-Hoff-off-Busse, Bimmelbahn und ein unaufhörlicher Strom von knipsenden Touristen zeugen von der Beliebtheit dieser Stadt auch für dieses Touristen-Segment. Aber auch der Hafen ist ausnehmend gut besucht, Päckchen sind an der Tagesordnung, wobei das Verhältnis Segel:Motor hier eher für die segelnde Zunft auffällt. Für viele Segler beginnt hier dann der etwas anstrengende Trip nach Bodø und weiter zu den Lofoten.




Montag und Dienstag wettern wir in Ålesund ab, geniessen Hafenkino, schwatzen mit anderen Seglern und erledigen Krimskrams auf dem Schiff. Nun werden die Wetterprognosen studiert und geeignete Passagen für den Rückweg um Stad gesucht. Das Wetter ist und bleibt „norwegisch“: An einem Tag (manchmal innerhalb einer Stunde) das ganze Jahresprogramm – wobei der Sommer etwas zu kurz kommt. Am Mittwoch morgen geht es also los nach Ulsteinvik. Zuerst haben wir mutig die Segel gesetzt und sind schnell voran gekommen, dann in der Gegenströmung mit bis zu 28 Knoten Böen alles gerefft und vor grösseren Regenschauern schliesslich auch die Segel reingeholt. In der Einfahrt sehen wir schon die Ulstein Werft, welche seit 1917 grosse Schiffe baut, die uns durch ihr etwas ungewohntes Design schon aufgefallen sind. Im leeren Gästehafen von Ulsteinvik versuchen wir das erste Mal die für uns ungewohnte Anlegemethode mit einer Mittschiffs-Fangleine, bei welcher eine Festmacherleine in der Mitte des Bootes befestigt und mit Lassowurf vom Boot aus über eine Klampe am Steg gelegt bzw. geworfen wird. Damit wird ohne Sprung aufs Land ein fester Haltepunkt erzeugt, mit welchem das Boot dann gut näher ran manövriert werden kann. Zum Znacht gibt es Sushi und Burger.




Liebe Agnes,lieber Thomas,
seit wir uns im Sommer 2023 in Schweden trafen und Ihr uns auf Eure Mailling-Liste aufnahmt, verfolgen wir mit Begeisterung Eure liebevoll geschriebenen und illustrierten Beiträge. Sie machen Lust auf mehr Skandinavien.
Gleichwohl hat uns 2024 … eine zwangsweise Pause beschert. In diesem Jahr streben wir von Neustadt (Holst) westwärts und sind mit Stationen in Heiligenhafen, Orth, Laboe und Rendsburg zwischenzeitlich in Friedrichstadt angelangt. Von dort wollen wir am Mittwoch weiterfahren zum Eidersperrwerk und von da aus auf die Nordsee und gen Westen, da es Klaudia nach drei aus ihrer Sicht verregneten und zu kalten Ostsee-Saisons nach Süden zieht. Der Plan für diese Saison ist es, mindestens bis in die Niederlande zu kommen und dort vielleicht den Winter zu verbringen.
Fair winds wünscht Euch die Crew der „Esteem“
Klaudia & Arne