Eigentlich … weht der Wind hier meistens von West nach Ost. Darum, so haben es uns Norweger erklärt, hat es hier viel mehr Motor- als Segelboote, weil man auf dem Weg nach Westen immer den Wind auf der Nase hat. Aber eben, eigentlich. Denn seit wir um Lindesnes Fyr herum sind, weht der Wind immer von Ost nach West. Oder manchmal gar nicht. Ein stabiles Hoch wehrt sich hier gegen die Tiefs von Island und England und lässt uns weiter an hochsommerlichem Wetter teilhaben.
Am Freitag geht es also der Küste entlang weiter und zuerst mit Kreuzkurs Richtung Grimstad. Wir verzichten auf die Motorbootkolonne in der Blindleia und fahren aussen herum in aller Ruhe. Wir frischen unsere Erinnerungen an die durch den Dichter Henrik Ibsen bekannte Stadt auf. Schöne Häuser und nette Lokale laden hier zum Spazieren ein. Der Hafen ist gut gefüllt, es ist einiges los und es herrscht Wochenend- und Partystimmung. In der Bergshaven Bakeri erstehen wir die bisher besten Pistazienschnecken unser Reise. Wie in vielen Städtchen bieten einige Foodtrucks ein internationales Angebot (inklusive Raclette). Am Samstag gibt es am späten Nachmittag im Smag & Behag ein ausgezeichnetes leichtes Nachtessen.















Am Sonntag habe wir genug vom Trubel und steuern – wieder auf Kreuzkurs, siehe oben – die Faervikkilen Bucht an. Zwar haben wir auf AIS die Sirius 35DS „Pipaluk“ im nahen Arendal gesichtet (das Schiff haben wir schon in Neustadt gesehen, aber die Schweizer Eigner noch nie), aber nun wollen wir etwas Ruhe in einer Ankerbucht. Wir zirkeln eine kurvige Einfahrt hinein und fühlen uns manchmal an den Zürichsee bzw. die Ufenau erinnert: Es liegen massenhaft kleine Motorboote in den seichten Abschnitten und an den Schärenfelsen. Wir finden aber ganz hinten einen wirklich ruhigen Platz, der sich bis zum Abend mit einigen wenigen gleichgesinnten Seglern füllt.


Seit einigen Tagen ist der VHF-Funk auf Kanal 16 hier unten gestört, irgendwo „besetzt“ eine Funkstelle den Kanal, das heisst, es kann niemand auf diesem Anruf- und Notkanal funken. Das führt wohl zu einer Aktion der Küstenwache wie im AIS sichtbar, welche im vermuteten Störgebiet alle Schiffe abklappert und den „Sündenbock“ sucht (erfolglos, es dauert noch einige Tage, bis der Kanal wieder frei ist).


Die Wetterprognosen verheissen heftigeren Ostwind, so steuern wir Tvedestrand etwas im Innern eines kleinen Fjords an, statt uns dort nochmals in einen Naturhafen zu begeben. Teilweise verfolgt von der Motorbootkolonne biegen wir bald in ruhigere Gewässer ab. Wir legen am Quai an und lassen die Leinen für die 40cm Tidenhub etwas lockerer. Ein Segelnachbar, der wie wir hier etwas Schutz sucht und schon viele Male hier war, erläutert uns, dass die Stadt als „Bücherstadt“ gelte, da es hier sehr viele Buch-Antiquariate gibt. Der Hafen selbst ist etwas lieblos und wirkt ein bisschen verlottert, aber der Weg am nächsten Tag ins Städtchen hinauf zeigt dann die gut ausgebaute touristische Seite. Tatsächlich finden sich hier neben Antiquariaten, Designläden und einer guten Bäckerei auch einige klapprige und leicht schiefe Häuschen. Am „schmalsten“ Haus Norwegens geht man fast unbemerkt vorbei zur Kirche hoch, von wo man einen guten Blick auf den kleinen See mit dem „Tvedestrand Badepark“ hat. Die Fröja-Konfektionsausstellung in einer alten Apotheke gibt exemplarisch Aufschluss über das, was vor dem Tourismus hier alles an Produktions- und Handelsstätten angesiedelt war.













Am Mittwoch geht es wieder den Fjord hinaus und wir lassen das Städtchen Risør, wo sich die Kollegen von der Nele gerade eine schaukelige Nacht um die Ohren geschlagen haben, links liegen und fahren nochmals in einen ruhigen Fjord in die kleine idyllische Bucht Narvika. Bis zum Abend werden hier vier Segelboote ankern – die Stille tut einem schon fast weh.







Am Donnerstag geht es weiter nach Kragerø, wo wir ebenfalls unsere etwas verblassten Erinnerungen an den Besuch im Jahr 2019 auffrischen. Nach dem Ibsen-Städtch also das Munch-Städtchen. Hier wiederum „high life“ mit Badestrand mitten im Hafen und gefühlt hunderten von kleinen Motorbooten, welche von den nahegelegenen Häuschen hierher zum Essen, Einkaufen und vor allem Glaçeschlecken herkommen. Es herrschen aber auch hochsommerliche Temperaturen – ohne das gewohnte Fahrtwindchen auch für uns schon heiss.












Am Freitag wiederholt sich das Muster: Wir flüchten in die kleine Bucht Hvitodden, welche am Rande des grossen ruhigen Trosby-Fjords liegt. Hier liegen nur einige Motorboote am Felsen und es hat auch nur wenig Platz zum Ankern. Erst etwas spät bemerken wir, warum hier sonst niemand ankert: Es gibt hinten in der Bucht eine kleine Durchfahrt unter einer Brücke, die sehr viele als Abkürzung für ihre Bootstürchen nutzen. Na ja, am Abend beruhigt sich das Ganze wieder und wir schlafen gut.



Früh aufstehen heisst es am Samstag, wir wollen nach Stavern, also nochmals in ein südnorwegisches Städtchen, welche uns als lohnenswertes Ziel empfohlen wurde. Wir finden wieder einmal längsseits an einem Aussensteg ein Plätzchen, hier gibt es ansonsten auch wieder die in Schweden so weit verbreiteten Heckbojen. Aber wir wollen zwei Tage bleiben, also lieber etwas bequemer. Stavern gilt ebenfalls als Künstlerstädtchen und in der Tat hat es in den alten Hafenanlagen und Militärbauten viele Gallerien und Sommerausstellungen von verschiedenen Künstlerinnen.












Auch hier viele Motorboote, die meist nur stundenweise anlegen. Vor uns erzählt eine Norwegerin, dass sie hier nur für eine Nacht seien, „um sich etwas vom Sommerhäuschen zu erholen“?! Hier bleiben wir zwei Tage und erkunden am Montag auch das „Agnes“-Gelände. Hier hat sich früher eine Branntweinmanufaktur, später eine bekannte Holzverarbeitungsfirma (Zündhölzer und Spanplatten) und zudem die 22 Meter lange Schiffssetzung von Agnes aus der frühen Bronzezeit. Heute auch noch eine Brauerei und das bekannte Nerdrum Museum, die Gegend wird als Sjøparken mit Hafenhäusern etc. „weiterentwickelt“.







Dienstags heisst es nochmals früh raus, wir legen um acht Uhr ab, um den angesagten Nordwind für die Fahrt nach Verdens Ende zu nutzen und dabei den für Nachmittag einsetzenden Regen zu vermeiden. Es sind natürlich mehr als die angesagten 12 Knoten, wir haben bis zu 22 Knoten. Mit dem 2. Reff im Grosssegel und dank Nordwind kaum Welle rasen wir schnell in den Gästehafen am „Ende der Welt“. Hier haben wir ja anfangs Mai unsere Norwegen-Tour begonnen und werden Ende Woche dann endgültig nach Westschweden zurücksegeln, da unsere 90 Tage in Norwegen gemäss Schengen-Regeln aufgebraucht sind. Gegen Abend läuft auch die Voyager ein, wir haben Norbert und Marion seit Ålesund nicht mehr gesehen, obwohl sie einen ähnlichen „Fahrplan“ wie wir haben und im August wieder in Orust sein wollen. Natürlich gibt es wieder viel zu erzählen und wir beschliessen den Abend mit einem Plukkfisk-Auflauf aus dem Bordofen.




Eure Bilder zeigen viel blauen Himmel! Schönes Wetter ist doch ein sehr beliebter Reisebegleiter. Freut mich sehr für euch!☀️⛵️