Am Montag hat sich die Lage soweit beruhigt und wir sind das erste Schiff, welches den Hafen um 10.30 Uhr bei sonnigem Wetter aber schwachem Wind verlässt. Wir machen nur einen kleinen Schlag nach Söråkersviken auf Åstön, wo wir an einem kleinen Holzsteg festmachen. Es ist ein Liegeplatz, wie wir ihn hier oben noch öfters antreffen werden: Ein Kombipack mit Camping- und Zeltplatz in einen Naturreservat. Ein kurzer Spaziergang durch den Wald führt uns nach Skeppsholmen, wo das Café schon in Betrieb ist. Der junge Koch ist etwas enttäuscht, als wir nur ein Räkorsandwich bestellen und er nichts kochen kann. Es gibt ein altes Lotsenhäuschen, ein kleines Fischereimuseum (geschlossen) und schöne Steinstrände (offen). Am Nachmittag gibt es nochmals einen Regenguss und die sonst schon klare Luft wird nochmals durchgespült.
Wir planen nun kürzere Schläge entlang der Höga Kusten. Das Gebiet zwischen Harnösand und Örnsköldsvik ist als Weltnaturerbe ein Paradies für Outdoor-Aktivitäten. Durch eine Hebung um rund 300 Meter seit der letzten Eiszeit entstanden in Meeresnähe bewaldetet Hügelzüge, welche von Buchten durchschnitten sind und mit zahlreichen grösseren Inselgruppen und verschiedenen Meeresökosystemen sowohl für die Forschung als auch für Wassersport aller Art attraktiv sind.
Am Dienstag ist Segeln im Regen angesagt. Mit schönem Halbwind brauchen wir die Segel nach dem Setzen nur selten anzupassen und können aus dem warmen und trockenen Decksalon heraus unser nächstes Ziel, Lustholmen, ansteuern. Das romantische Inselchen ist nur durch einen kleinen Sandstrand mit dem Festland verbunden. Bei leichtem Nieselregen können wir bequem längsseits in diesem Klubhafen anlegen – es ist auch hier noch nicht viel los. Einzig am Steg vis-a-vis liegt ein Segelschiff, aus dem es am späten Nachmittag unablässig zu hämmern beginnt. Wir sehen zwar niemanden an Deck, aber darunter scheint ein Umbau des Schiffs im Gange zu sein. Zwar ist um acht Uhr abends dann Ruhe, aber am nächsten Morgen geht es wieder weiter. Erst unser vernehmliches Räuspern auf dem Steg verschafft uns dann Ruhe für unser Zmorge 🙁
Wir nehmen eine weitere kurze Etappe (immer so ca. 15 – 20 Seemeilen) in Angriff und segeln zuerst wiederum mit schönem Halbwind nordwärts bis uns dann im letzten Sund der Düseneffekt mit Gegenwind zum Kreuzen animiert. Von Ferne sehen wir die Högakustenbrücke, unter welcher man in den grossen Sund nach Kramfors gelangen könnte. Am Ende des Sunds liegt aber sehr gut geschützt Häggvik und wir können ein per Whatsapp geplantes Wiedersehen mit der Nele feiern, welche uns auf ihrem schon wieder südlichen Kurs entgegengekommen ist. Wir tauschen Tipps und Erfahrungen aus, geniessen Apéro und bekommen erst noch ein feines Chili con Carne von Peter serviert. Mit einem guten Schluck Höga Kusten Whisky beschliessen wir den Abend.
Am Donnerstag laufen wir um 10.30 zusammen wieder aus dem Hafen mit der knappen Ausfahrt aus. Natürlich ist der Düseneffekt wieder da, und wir dürfen auch nach Süden kreuzen. Während die Nele Kurs Süden beibehält, biegen wir wieder noch Norden ab und steuern zum 15 Meilen entfernten Norfällsviken. Auch diese Bucht ist gut gegen den immer noch vorherrschenden Nordostwind geschützt. Hier finden wir einen grossen Campingplatz, von welchem auch der Gästesteg verwaltet wird. Die Liegeplatzgebühr kann man aber hier wie auch schon in Häggvik per IBAN-Banküberweisung erledigen. Man muss allerdings die Schlüssel zu den sanitären Anlagen in der doch ziemlich weit entfernten Reception des Campings abholen, aber das kleine Pizzarestaurant mit Kiosk am Hafen hat zumindestens auch Toiletten. Es herrscht reger Wohnmobil- und Camperverkehr und auch einiges an Tagesgästen schaut in der Bucht vorbei. Schon bei unserer Einfahrt in diesen Sund haben wir die vielen roten Steine bemerkt, welche das Ufer säumen. Wir spazieren etwas die Bucht hinaus und müssen uns schwer zurückhalten, das sonst schon nicht leichte Schiff noch mit einer grossen Steinsammlung zu belasten 🙂 Ein frühes Fish & Chips Nachtessen im Restaurant Fiskarfänget entschädigt uns für die Strapazen beim Über-die-Steine-Stolpern.
Am Freitag machen wir erneut einen Kürzest-Schlag von 5.5 Seemeilen nach Ulvön, einer sehr beliebten Insel. Vor dem Hotelsteg machen wir nach etwas über einer Stunde fest. Hier ist einiges los, Familien tummeln sich im Hotelpool (Gäste entrichten dafür 30 Kronen), Fähren bringen und holen wanderlustige Besucher. Der Hafenkiosk glänzt mit einer schönen Brötchen und Bullar-Auslage (die deutsche Nachbarin meint: „alles nur aufgebacken“). Wir beschliessen, hier zwei Nächte zu bleiben und erfahren, dass am Samstag auch noch ein Poker-Run-Race hier zu Mittag vorbeischauen wird. So ein „Rennen“ hatten wir letztes Jahr in Nyköping gesehen: Die teilnehmenden Power-Motorboote, meist lärmige V8-Renner, aber auch Wasserscooter und Plauschboote, fahren einen Parcours ab und erhalten bei jedem Posten eine Pokerkarte. Am Schluss gewinnt dasjenige Boot, welches die besten Pokerkarten hat… Auffallend ist, dass immer mehr unserer Stegnachbarn aus Finnland kommen, auch in Form von Motorbooten diverser Grössen. Wir erfahren, dass viele (West-)Finnen ihren Sommertörn gerne an der Ostküste Schwedens verbringen. Die meisten sprechen neben Finnisch auch Schwedisch (sowie Englisch) und kommen also hier drüben gut zurecht. Zudem sei das Seegebiet hier offener und man müsse sich weniger an die engen und wenig tiefen Fahrwasser halten.
Leider erwischt uns am Samstagnachmittag dann doch eine regenbelastete Front mit Blitz und Donner, so dass nichts aus unserer geplanten Velotour nach Sandviken Fiskeläge im Norden der Insel, einer Ansammlung von renovierten Fischerhäuschen aus dem 18. Jahrhundert. Auf ihrem Spaziergang hat die Skipperin im Restaurant Ruben reserviert, wo wir ein ausgezeichnet Nachtessen geniessen konnten.
Am Sonntag geht es kurz vor Mittag nochmals sieben Seemeilen bei gemütlichem Ostwind nach Trysunda. Auf dieser „Perle des Weltkulturerbes“ wird unsere Fahrt auf 63°8.4’ N ihr nördliches Ende finden – das ist fast auf dem Breitengrad von Trondheim in Norwegen oder der Südspitze von Island.
Die Insel ist wirklich eine Perle. Wir erhalten im Café Material zur Erkundung und beschliessen, auch hier wieder zwei Nächte zu bleiben, zumal jetzt der langersehnte Wechsel auf südlichere Winde angesagt ist (war ja klar, bisher nach Norden eher nördliche Winde, jetzt, wo wir wieder nach Süden wollen, dreht es…). Wir spazieren zum Björnviken, einer südlichen Bucht voller roter, grauer und dunkter Steine, welche in allen vom Meer gerundeten Formen und Grössen hier den Strand bilden. Agnes füllt die Säcke. Wenig weiter findet sich im Osten der Insel ein Strand aus feinstem dunkelgrauen Sand. Die Fischerhäuschen im Hafen sind alle gut besetzt, es laufen bis zum Abend viele (finnische) Boote ein und die Fähren bringen Tagestouristen vom Festland hierher. Eines unserer Nachbarboote ist ein sog. daysailer, d.h. ein kleines schwedisches Segelboot. Nichtsdestotrotz sind sechs kleine Kinder und drei Erwachsene an Bord. Sie sind nur zum Nachtessen hier und fahren nachher noch nach Ulvön, wo der Grossvater am Wochenende an einer Regatta teilnehmen will. Auf der anderen Seite ein finnisches Motorboot, eigentlich eine Familie mit zwei Kindern, aber den Jungen im vorpubertären Alter sieht man nur, wenn er mal aufs Klo muss, sonst ist er den ganzen Tag unter Deck – so ein Hafenleben offenbart ja viele Einblicke…
Am Montag erkunden wir noch die beiden verbliebenen Strände auf der Nordseite, wo sich bereits viele Tafgesausflügler mit kleinen Motorbooten tummeln. Am Nachmittag hört der Skipper ein vertrautes Bugstrahlrudergeräusch – in der Tat kommt die Siriusli in den Hafen, eine 40er Sirius mit Schweizer Flagge, welche wir schon einmal in Neustadt gesehen hatten und seither gelegentlich auf dem AIS verfolgt haben – die Nele hat sie ebenfalls kürzlich in einer Bucht getroffen. Als sie festgemacht haben, klopfen wir an und vereinbaren die gegenseitige Besichtigungen bei Apéro und Schlummertrunk. Auf der 40er ist zwar alles vertraut, aber doch um einiges grösser. Die um 50cm grössere Breite von 4 Metern macht schon einiges aus und auch die fünf Fuss mehr Länge merkt man gut. Das Schiff ist für Dauersegeln eingerichtet und entsprechend komfortabel ausgerüstet. Wir bestaunen Rollgross, Badeplattform, absenkbaren Cockpittisch und die riesigen Backskisten. Skipper Christian weiss auch spannende Geschichten zu erzählen. Trotz ursprünglichen Gelüsten nach wärmeren Gefilden gefällt es ihm aber sehr gut hier im Norden, wo er diese Saison von Südnorwegen durch den Götakanal bis hierher gesegelt ist. Wir tauschen unsere Kontaktdaten und nehmen die Siriusli in die Buddy-Liste unseres Plotters auf (so sieht man ein bekanntes Schiff mit seinem Namen, wenn es sich mal in der Nähe befindet).
Liebe Agnes, Lieber Thomas
Es war am 5./6. August 2022 im Gästehafen von Norrtälje. Ich war als Gastsegler mit Peter und Eva auf der NELE unterwegs und waren bereits schon im Hafen als die MATARIKI (ebenfalls mit CH-Fahne) am gegenüberliegenden Steg anlegte.
Für Peter war es kein unbekanntes Boot weshalb Eva (unsere „Kommunikationsbeauftragte) 😉 sofort der Sache nach ging. Mit einer Einladung zur Bootsbesichtigung verbunden mit einem Apero kam sie kurz darauf zurück.
Es war ein kühler und regnerischer Abend, aber bei euch auf der Matariki war es herrlich warm, trocken und bequem. Ein wunderschönes Boot, ein feiner Apero und dazu eure faszinierende und zugleich animierende Geschichte haben mich fasziniert. Nochmals Merci für alles.
Seither lese ich immer wieder eure spannenden Berichte mit den schönen Bildern und verfolge seither auf MarineTraffic auch die Matariki.
Ich wünsche euch weiterhin alles Gute auf eurer Reise sowie noch viele spannende Begegnungen und Geschichten.
Liebe Grüsse Daniel
Meine Lieben
Während Ihr also geruhsam die Höga Küste besegelt, lese ich gerade Henning Mankells „Italian Shoes,“ einen schwedischen Roman, der meist im schneebedeckten Norden spielt und alles andere als gemütlich ist; denn von Euern Fotos hat mir der Schnappschuss „Dann machen wir es uns innen gemütlich“ sehr gefallen. – Weiter war natürlich der/die/das Siriusli von Interesse, also trotz des Diminutiv Namens der grössere Verwandte und Dauersegler. Gottseidank entdeckte ich keine Spur von einem Segleranalog zum Gras, das grüner ist beim Nachbarn; oder dass man gar sein Weib nicht begehren soll! Segeln macht also anscheinend zufrieden und erlaubt es einem, Beobachtungen des Mangelhaften mit unterbesetzter, bzw. früher Infrastruktur euphemistisch zu bezeichnen.
Wir wurden unterdessen von einem ziemlich Schaden anrichtenden Tornado heimgesucht, der jedoch mit seinem orkanartigen Regen den Smog etwas vertrieb. – In unseren Nachrichten spielt Schweden gegenwärtig eine grosse Rolle von wegen offiziellem Beitritt zum westlichen Bündnis. Freilich hat Kanada etwas Schwierigkeiten mit Schwedens freizügiger Immigrationspolitik. Denn viele osteuropäische kriminelle Banden missbrauchen dies und landen dann auf diesem Umweg mit ihrem Fluchtkapital in unserem gelobten Land, wo ihr rüdes Gebaren viel Animositäten schafft.
Mit besten Wünschen zur idyllischen Weiterfahrt! Josef
Hoi, ihr Zwei! Endlich ist die Stalkerin mal fündig geworden und hat die Matariki in der Webcam des Gästhamns von Skärså ausfindig gemacht! Schön habt ihr‘s da! Allerbeste Grüße, Andi