Von nun an lassen wir für eine gewisse Zeit den Film rückwärts laufen, will heissen wir fahren fast dieselbe Strecke wie schon im Mai und Juni in umgekehrter Richtung. Diesmal scheint uns das Wetter wohlgesonnen – wenn alles wie vorhergesagt läuft, haben wir genau die richtigen Winde, um die Strecke zurück an die schwedische Westküste mit passendem Wind und ohne störende Gegenwellen in etwa einer Woche zurückzulegen. Also keine Stürme mehr und auch das Wetter und die Temperaturen sollten eher im sommerlichen Bereich bleiben.
Es wird allerdings interessant werden, wie sich die Dinge seit unserer Vorsaison-Erfahrung verändert haben und ob wir schon in der Nachsaison sein werden. Also starten wir am Samstag, 12. August, aus unserer Ankerbucht die 30 Meilen Richtung Hanö – Südwind wäre für den direkten Schlag nach Simrishamn etwas mühsam. Alles passt bestens und wir kommen nach knapp acht Stunden im halb gefüllten Hafen an. Dort ist gerade etwas „Action“ – ein Rettungsboot versorgt einen Notfall und der Hafen wirkt etwas chaotisch, da die Hafenwartin Lotta dort helfen muss. Wir gehen also ins „Päckchen“, d.h. wir legen seitwärts an ein anderes Schiff seitwärts an. Für ein Wochenende in einem beliebten Hafen ist das Standard – wir haben schon bis zu Fünferpäckchen gesehen. Man fragt bei der Crew des auserwählten Anlegerbootes zuerst höflich, ob man genehm sei (Ablehnung gibt es eigentlich nicht, aber manchmal hört man tolle Ausreden oder die Schreckensbotschaft „wir müssen morgen früh um fünf Uhr ablegen“). Unser Kandidat lacht uns aber bereits entgegen – es ist derselbe Skipper, der am 2. Mai kam, um mit uns im Päckchen zu liegen! Die „Schreckensnachricht“ kommt nicht von ihm sondern von einem schwedischen Segelboot, welches davor eingeklemmt ist: Sie wollen um acht Uhr raus! Das macht uns diesmal aber gar nichts, da auch wir diesen Ablegetermin vorgesehen haben. Wir tauschen anschliessend mit unserem Nachbarn unsere zwischenzeitlichen Erlebnisse aus und es geht nicht lang, da erhalten auch wir noch einen weiteren Päckchennachbarn. Im Hafen schieben sie Tische zusammen und bald ist dort ein kleines Fest im Gange mit Gesang. Wir geniessen Bordküche mit Hafenkino.
Folgerichtig geht es am Sonntag früh auf (das wird langsam zum Standard) und wir legen punkt acht Uhr ab, um die nächsten 30 Meilen nach Simrishamn unter die Segel zu nehmen. Hier passt der Wind nicht immer bestens, aber auch diese Strecke meistern wir nach etwas mehr als acht Stunden zusammen mit der übrigen Karawa(h)ne. Unglaublich, wieviele Schiffe auf unserer Strecke zwischen den Stockholmer Schären und Südschweden unterwegs sind. Hauptsächlich Schiffe, welche dann vom südlichen Teil in ihre Heimathäfen Richtung Deustschland unterwegs sind. Aber auch ein gerüttelt Mass von Dänen und Holländern und vereinzelt Amerikaner und Engländer gehören zum Tross. Auch hier spürt man nichts von Saisonende – Gästehafen und Wohnmobilstellplätze sind fast voll, Touristen bevölkern Hafen und Städtchen.

Der Montag verspricht wiederum passenden NE-Wind, allerdings ist diese Ausgabe etwas schmal geraten, so dass wir hier einige Strecken dieseln müssen, um in rund fünf Stunden nach Ystad zu gelangen.

Dafür gibt sich die Mankell-Stadt sommerlich, das Anleger-Eis schmilzt beachtlich schnell. Die Tvättstuga (Waschmaschine und Tumbler) ist aber bereits ausgebucht – die „Heimkehrer“ bereiten sich offenbar schon auf das Saisonende vor. Im Hafen riecht es manchmal etwas streng – offenbar sind Baggerarbeiten Schuld an diesen leicht fauligen Düften, die wir letztes Jahr bereits in Smygehamn erlebt haben.


Um die nun bekannte Standardablegezeit geht es also wieder los. Mit prächtigem Halbwind leicht von SE manchmal mit Code Zero, dann wieder mit der Genua runden wir den „Südpol“ Schwedens und fahren „weil es so gut läuft“ die rund 30 Meilen in knapp sieben Stunden gleich bis in den Falsterbokanal. Dort absolvieren wir eine stündige Ruhepause bis zur Brückenöffnung um 16 Uhr und legen gleich danach im Kanalhafen Höllviken längsseits an. Hier geniessen wir wieder einmal einen richtig roten Sonnenuntergang an der schwedischen Westküste.




Für Mittwoch ist Ausschlafen angesagt, wir machen nur eine kurze Strecke und segeln unter der Øresundbron hindurch nach Malmö, wo wir nach Mittag wieder einmal zwischen Heckpfählen anlegen. Aus dem Anlegetrunk wird diesmal ein grossstädtisches Sushi-Plättchen.



Auch am Donnerstag fahren wir bei schwachem Wind eine kurze 16-Meilen-Strecke zur schwedischen Insel Ven, welche mitten im Öresund zwischen Schweden und Dänemark liegt. Wir finden im Hafen Kyrkbacken auf der Westseite gerade noch ein freies Plätzchen zwischen den Dalben und kommen noch einmal um das Heckankermanöver herum. Auch hier keine Spur von Saisonende – der Hafen ist bald rappelvoll mit dänischen Booten aller Art. Mit dem Velo erkunden wir das rund vier Quadratkilometer grosse Inselchen, wobei auch ein Besuch samt Degustation in der Whisky-Destillerie Hven (dänisch für Ven) zufällig auf der Strecke lag 😉 Die schöne Rundtour führt uns an der Ostküste unten an der Küste vorbei, wir sehen dort die wollenen Ergebnisse einer Schur – allerdings der dort nun kurzfelligen Alpacas und (noch) nicht) der Schafe. Für einmal sind wir auch um den bedeckten Himmel froh – bei sommerlichen Temperaturen sind die kurzen, aber happigen Höhendifferenzen von Meer zum Inselplateau auch ohne Sonne schweisstreibend. Abends geniessen wir eine Fischsuppe und ein Röding im Hamnkrog.












Am Freitag nutzen wir die immer noch östlichen Winde und segeln an Helsingør und Helsingborg vorbei durch die geschäftigen Fahrwasser des Öresunds etwa 20 Meilen nach Mölle. Wir profitieren von der Strömung und verzeichnen zeitweise bis zu 9 Knoten Fahrt über Grund, davon sind bis zu 3 Knoten nur der Strömung gutzuschreiben. Wie schon im Mai legen wir kurz nach Mittag längsseits an. Für Samstag planen wir einen frühen Start um sieben Uhr, um die lange, etwas langweilige Passage nach Varberg beim immer noch östlichen Wind hinter uns zu bringen. Wir staunen nicht schlecht, als sich der Hafen immer mehr und mehr füllt. Es ist das Wochenendziel vieler Dänen! Am Abend sind Viererpäckchen die Norm. Unsere zwei Päckchennachbarn lassen sich durch unsere Schreckensnachricht (siehe oben) nicht schockieren und wollen das frühe Herausschäl-Manöver mit uns am Samstag früh machen, da sie am Samstag sowieso hier bleiben werden. Da wir im Mai hier bei Regen waren, nutzen wir nun den Bus um die eigentliche Sehenswürdigkeit der Gegend, den eindrücklichen Leuchtturm Kullens Fyr, zu besuchen. Am Abend essen wir nochmals in der Krukmakeri – gut, aber gestossen voll, etwas chaotisch und ziemlich laut – man hört fast ausschliesslich Dänisch.






Also in der Tat um 7 Uhr ablegen, alles klappt hervorragend, auch wir kommen aus unserer knappen Lücke problemlos weg, obwohl schon bis zu 10 Knoten Wind in den Hafen blasen. Aber es ist wiederum der vorhergesagte östliche Wind, welcher uns auf der rund 50 Meilen langen Strecke in den Norden voranbringen soll. Die ersten 25 Meilen tut er das auch wunderbar, wir passen hie und da die Segelstellung an, weichen einigen Fischernetzen und -reusenkennzeichen aus und profitieren immer noch von etwas schiebender Strömung, so dass es schön vorwärts geht. Die abgesehen von einem Fliegenbefall sonst wenig ereignisvolle Zeit verbringen wir mit Blogschreiben, Dösen und einigen Planungen für unsere Rückreise im September.

Nachher wird es etwas weniger schräg (also die Lage des Bootes 🙂 und wir kommen schon fast in Rekordzeit kurz nach 15 Uhr bei immer noch sonnig warmem Wetter in Varberg an, wo wir uns in die einzig grün markierte, d.h. freie Box legen können. So können wir am Sonntag ohne Päckchenmanöver ausschlafen. Irgendwo auf dem Weg hat Matariki die 6’000 Seemeilen-Marke überschritten, was wir am Abend im Restaurant Havanna (again) feiern.






Unser neuer Segelbootnamensfavorit (@Josef, unser Spezialist für die deutsche Sprache: oder heisst das Segelbootnamenfavorit?) ist übrigens „Phantom of the Opas“ 🙂
Danke für euren erneuten Zwischenbericht! Eines steht fest: man isst sehr gut im hohen Norden!
Also was mir vor allem gefiel, war dieDevise: ‚Richtig Fahrt machen und trotzdem rückblickend geniessen,‘ denn so habe ich die vorwärts blickende Agnes Tapas verstanden! Ebenfalls den brennend roten Sonnenuntergang.
Aber nun zur SegelbootnamenSfavorit Frage, die nach Phantom of the Opas richtig gelöst worden ist. Und zwar handelt es sich bei diesem Kompositum um eine prädikative Genitivzuschreibung (Favorit des…), die dann mit dem s quittiert wird. In Zweifelsfällen empfiehlt sich immer die Suche nach analogen Beispielen, die dann nach dem Muttersprachler Prinzip entschieden werden dürfen, d.h. ob es ein anderer Muttersprachler auf Anhieb versteht. Falls hier Einsprache erhoben wird, die Erklärung einer ‚regionalen Abweichung‘ abgeben (die halt in diesem Fall ein individuelles Unikat ist!).
Was mir weiter gefiel, war der Beschrieb der verschiedenen Päckchen Manöver samt Begleitumständen; das lässt sich ja auf Festland direkt in eine Sozialtheorie des toleranten Zusammenlebens überführen!
Und die Bildergalerie ist ferienstimmungsträchtig…Danke.
Phantom of the Opas
Guter Kommentar vom Professor emeritus 🙂
Agnes freut sich, dass ihr Onkel auch das Muttersprachlerprinzip gelten lässt!